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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
Autoren: Kösel
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zu haben, dass man vor allem in die Familie hineinschaut, dass der Einzelne seinen Blick auf die anderen richtet. Der Blick auf sich selber, es darf durchaus auch ein kritischer Blick sein, will nicht mehr so richtig funktionieren. Es gibt einen Zeitpunkt im Jahr, der das gut symbolisiert: Weihnachten. Vor Weihnachten schießen die Erwartungen ans Familienglück besonders hoch. Nach Weihnachten erfolgt dann die Bearbeitung der erlebten Enttäuschungen. So ein bisschen Weihnachtsstimmung
liegt das ganze Jahr über im Familienleben. Wofür hat man eine Familie? Doch vor allem, damit sie einen glücklich macht! Kein soziales Gebilde ist so anfällig für passive Glückserwartungen wie die Familie.
    Es ist seltsam, wie klar allen Erwachsenen ist, dass man im Beruf arbeiten muss, dass man dort nichts wird, wenn man nur auf die anderen und deren Einsatz wartet. Warum läuft das in der Familie so anders ab? Warum beklagen sich viele Frauen, oft zu Recht, dass ihr Mann, kaum kommt er zur Tür herein am Abend, zu einem weiteren Kind mutiert, das versorgt und umhegt werden möchte? Oder das vielfach berechtigt geäußerte Ärgernis der Männer, dass ihre Frauen so selbstverständlich erwarten, dass sie dank des beruflichen Einsatzes ihres Mannes ein materiell gesichertes Leben führen können...
    Was das Familienleben oft so anstrengend macht, sind die kindlichen Gefühle und Einstellungen, die sich bei Vater und Mutter mit zunehmender Ehedauer einschleichen und wieder einstellen, als ob die Vergangenheit mit ihren alten und als Kind real erfahrenen Abhängigkeiten zurückkehren würde. Die eigenen Entwicklungswege werden immer kürzer, sind auf die berufliche Tätigkeit beschränkt, während der gemeinsame Weg in der Familie immer länger, anstrengender, lustloser wird. Kleine Kinder kennen noch kaum eigene Wege. Ihre Wege gehen sie an der Hand der Mutter oder des Vaters. Etwas von diesen Kleinkindwegen taucht in der Elternwelt wieder auf. Ein beruflich sehr selbstständiger Vater bringt es mit folgenden Worten auf den Punkt: »In der Familie kann ich mich vergessen, wir machen halt alles oder das meiste zusammen.« Oder eine Mutter antwortet auf die Frage, was sie denn zu Hause so mache: »Zu Hause? Ja, da bin ich für die Familie da.« Warum ist es so schwer, dass ein Erwachsener auch und gerade in der Familie einfach mal für sich selber da ist und den anderen vorlebt, dass man auch in
der Familie noch ein Individuum sein kann mit eigenen Wünschen und Interessen, die nichts mit den anderen Familienmitgliedern zu tun haben und an denen die anderen auch nicht beteiligt sein müssen?
    Die heutige Zeit fordert viel Individualität vom Einzelnen. Imke Keicher und Kirsten Brühl sprechen vom »kreativen Zeitalter«, das nun begonnen hat und das nicht mehr nach den Gesetzen von »Employability« ausgerichtet ist, also feste Beschäftigungsverhältnisse für gut Ausgebildete garantiert, sondern auf »Uniquability« setzt, auf Einzigartigkeit. Diese setzt sich zusammen aus einer ganz persönlichen Mischung aus Stärken, Talenten und Leidenschaften. Sie ist der »wichtigste Rohstoff« der Zukunft und jedes Einzelnen. (Keicher /Brühl 2008, S. 15)
    Einfühlungsvermögen gewinnt an Bedeutung im Arbeitsleben, Durchsetzungsfähigkeit ist gefragt im Beruf, eine sichere Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen und kooperatives Umgehen mit den eigenen und fremden Interessen werden verlangt. Im Arbeitsleben wird der selbstbewusste Umgang mit den eigenen Grenzen geradezu gefordert, um einigermaßen leistungsstark und kompetent sein zu können. Und das soll in der Familie alles überflüssig sein? Die Familie als Entschädigung für den Selbstbehauptungskampf im beruflichen Alltag?
    Auch in der Familie geht es darum, dass aus einer Familie mit fünf Köpfen und fünf Herzen nicht ein fünfköpfiges, breiiges Monster wird, wo jeder Kopf danach lechzt, wieder mit einem eigenen Herzen schlagen zu dürfen, auf eigenen Beinen die Welt zu entdecken, mit eigenen Augen in eine selbst gewählte Richtung zu schauen. Wenn es in der fünfköpfigen Familie nicht fünf Individuen geben darf, die sich mitunter ganz fremd werden und Dinge tun und leben, die für die vier anderen nicht verlockend sind, wird’s langweilig. Und dann steigen, weil man nicht mehr an sich und seine
eigenen Aktivitäten denkt, die Erwartungen an die anderen ins Unermessliche.
    Was ich hier mit abstrakten Worten zu erklären versuche, kann ein Beispiel
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