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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider
Autoren: Rupert Schöttle
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Hawranek mit einem lauten Seufzer das Zimmer verlassen hatte, entnahm Vogel dem Konvolut ein Blatt, das er mit verzogenem Gesicht und spitzen Fingern in die Höhe hielt.
    »Damit, schlage ich vor, fangen wir heute an. Vergewaltigung einer Siebzehnjährigen.«
    »Unerfreulich. Und, ist der Täter bekannt?«
    »Ja, ein achtzehnjähriger Bursch, der sich offenbar als ihr Freund betrachtete und gedacht hat, er dürfe das …«
    »Also doch nicht so unerfreulich. Lass mich raten: Er behauptet, es sei mit ihrer Einwilligung geschehen, während sie dies vehement bestreitet, weil die muslimischen Eltern ihm draufgekommen sind und ihm mit der Scharia drohen.«
    Prüfend schaute Vogel seinem Kollegen in die Augen.
    »Hast wohl in der Früh wieder heimlich vorgearbeitet? Alter Streber! Allerdings musst du dabei etwas missverstanden haben, denn es sind keineswegs die Eltern, sondern die Brüder der Vergewaltigten, die dem Täter ans Leder, respektive an wertvollere Teile wollen … Und das Besondere dabei ist, dass dieser Bursch selbst die Polizei gerufen hat, weil er nun um sein Leben fürchtet.«
    Walz verdrehte die Augen.
    »Dann ist das Ganze sogar sehr unerfreulich … Hast nichts Einfacheres am frühen Morgen? Ein kleiner Diebstahl oder so etwas? Ich hab doch noch nicht gefrühstückt.«
    »Das Einfache haben wir ja bereits hinter uns, o du mein Walz. Schließlich haben wir schon die erste Einvernahme gehabt, die immerhin in einer unverhohlenen Beleidigung eines Beamten gipfelte«, antwortete Vogel, während er mit seinem Kinn auf die Tür deutete, durch die Melitta kurz zuvor verschwunden war. »Außerdem wartet der Beschuldigte schon seit acht Uhr auf seine Einvernahme.«
    »Jetzt hab dich nicht so, immerhin hat sie sich entschuldigt … Und stammt der Vergewaltiger auch aus dem schönen Land des Halbmonds?«
    »Nein, leider nicht, das wäre einfacher«, seufzte Vogel. »Dann würden die das ja unter sich ausmachen. In diesem Falle handelt es sich leider um ein Wiener Eigengewächs.«
    »Dann schauen wir uns halt einmal an, was unseren Landsmann dazu bewogen hat, so lustvoll in orientalischen Gärten zu wandeln.«
    Kurz nachdem Walz seinen Kollegen telefonisch Bescheid gegeben hatte, wurde ein schmächtiger Junge hereingeführt, der, seinem Äußeren nach zu schließen, allenfalls sechzehn Jahre alt war.
    Nachdem Vogel die Personalien, und vor allem das Geburtsdatum, mit dem Verdächtigen abgeglichen hatte, richtete er das Wort an den blonden jungen Mann, der verschämt zu Boden blickte.
    »Also, Herr Kern, was war da gestern los?«
    »Wenn die mich erwischt hätten, dann weiß ich nicht, was mir passiert wäre …« Ängstlich schaute er auf. »Sie müssen mir helfen!«
    »Das werden wir gerne tun«, antwortete Vogel ruhig, »allerdings müssen wir erst einmal wissen, was überhaupt passiert ist …«
    »Ich versteh das alles nicht«, sagte Kern leise, »ich bin mit der Ayse jetzt schon seit drei Wochen zusammen. Wir haben ja versucht, es vor ihren Brüdern geheim zu halten, weil sie so große Angst vor denen hat. Sie wissen ja, wie das ist, bei den Türken und ihrer Familienehre. Und gestern haben die plötzlich gedroht, mich umzubringen … Und da hab’ ich halt bei der Polizei angerufen.«
    Noch immer hielt er seinen Kopf gesenkt.
    »Aber den Grund, warum die Sie umbringen wollten, sollten Sie uns vielleicht auch sagen, Herr Kern. Schließlich liegt eine Aussage Ihrer Freundin vor, dass Sie sie vergewaltigt haben. Das behauptet wenigstens ihr Bruder, der ebenfalls hier angerufen hat. Und das ist kein Kavaliersdelikt.«
    Ruckartig hob er seinen Kopf und schaute Vogel in die Augen.
    »Das ist doch alles nicht wahr. Das hat sie erst dann behauptet, wie uns ihre Brüder draufgekommen sind!«
    Vogel wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit seinem Kollegen.
    »Heißt das, Ihr sexueller Kontakt geschah mit dem Einverständnis Ihrer Freundin?«
    »Genau das heißt es! Natürlich zieren sich die Mädchen immer dabei, aber direkt widersprochen hat sie nicht! Und als es dann so weit war, hat sie sich auch nicht gewehrt«, fügte er trotzig hinzu.
    »Aber jetzt behauptet sie, dass dem nicht so gewesen wäre und Sie sie vergewaltigt hätten …«, warf Vogel streng ein.
    »Aber so weit sind wir doch gar nicht gekommen!«, rief Kern verzweifelt aus.
    Verblüfft hielt der hinter dem Schreibtisch sitzende Walz in seinem Aktenstudium inne.
    »Das heißt, ihr habt gar nicht miteinander geschnackselt?«, mischte er sich in das
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