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Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
Autoren: Carl Hanser Verlag
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der Damaszener wirkt, doch das führt uns zu weit, lieber kehren wir zur Geraden Straße zurück.
    Erst wenn man den Gewürzmarkt erreicht, sollte man sie für eine gute Weile verlassen, denn rechts von ihr und auf weniger als 600 x 600 Metern liegen so viele Perlen der Baukunst und der Geschichte zusammen, dass man sie nicht einmal alleaufzählen kann. Karawansereien, Dampfbäder, Mausoleen, Suk el Hamidije, der Azempalast und das Herzstück der Stadt: die Omaijadenmoschee. Die Fülle von Damaskus wird nur in der Ruhe zugänglich. Als Jugendlicher nahm ich mir einen ganzen Tag für dieses Areal, und wenn ich nach Hause zurückkam, war ich erschöpft, doch hatte eine wohltuende Ruhe von meiner Seele Besitz ergriffen.
    Hier auf dem Gewürzmarkt, Suk el Busurije, entdeckte ich die Verwandtschaft zwischen Lügen und Gewürzen. Die Lüge macht jedes fade Geschehen zum würzigen Gericht. Wer eine gute Nase hat, kann alle Nuancen der Gewürzstimmen hören. Der Thymian der Berge spricht tief, Koriander jugendlich, Zimt süßlich und Pfeffer zurückhaltend, aber verärgert über den vorlauten, aufdringlichen Kumin (Kreuzkümmel). Der Kardamom spricht vornehm leise, sich seiner Herrschaft bewusst. Nur die Safranblüte verharrt in Schweigen und verlässt sich auf ihre Farbe.
    Den Azempalast, das prunkvolle Haus des osmanischen Gouverneurs As’ad Pascha el Azem, mochte ich nie. Er ist aber eine Attraktion für Touristen und beherbergt ein Museum für Folklore und Handwerk. Anfang der achtziger Jahre bekam ich ein Buch aus dem 18. Jahrhundert, und darin wurden meine Vorurteile bestätigt. Das Buch war von einem Friseur geschrieben worden, der die Errichtung des Palastes miterlebt hatte. Als hätte der Gouverneur seine baldige Ermordung geahnt, hatte er es so eilig, dass in Damaskus nicht nur jahrelang weder Baumaterial noch Maurer zu finden waren, sondern aus vielen Häusern, Moscheen, Tempeln und Suks Baumaterial wie Säulen, Holzbalken, Ornamente und Marmorplatten herausgerissen und in den Palast gebracht wurden, wenn sie dem Pascha gefielen. Manche der Häuser, Suks und Moscheen stürzten danach ein. Als dieser Gouverneur dem Sultan inIstanbul zu mächtig wurde, setzte er ihn ab, lud ihn nach Ankara ein und ließ ihn dort 1757 ermorden. As’ad Pascha el Azem war gerade mal 52 Jahre alt geworden. Die Geschichten über diesen gerissenen Gouverneur sind unendlich, deshalb wollen wir lieber weitergehen.
    Über die Reste der Goldschmiedestraße, die nach einem Brand geblieben sind, gelangt man zur Omaijadenmoschee. Ursprünglich ein Tempel der Aramäer, wurde sie von den Römern in einen Jupiter-Tempel und dann in eine Basilika umgewandelt. Siebzig Jahre nach der Eroberung der Stadt durch die Araber gingen Christen und Muslime immer noch durch dieselbe Tür und beteten im selben Haus. Erst der Kalif el Walid ben Abd el Malik ließ 705 die Basilika abbauen und an ihrer Stelle für astronomische Summen die schönste Moschee der damaligen Welt errichten. In ihrer Pracht sollte sie die Stellung von Damaskus als vierte heilige Stadt des Islam – nach Mekka, Medina und Jerusalem – unterstreichen. Hier wurde übrigens auch das erste Minarett der Welt errichtet.
    Nicht weit von der Moschee entfernt liegt der legendäre Salahaddin begraben. In der Schule mussten wir viel über seine Heldentaten und seine Großzügigkeit gegenüber Gefangenen lernen, aber mit keinem Wort hat unser Geschichtslehrer erwähnt, dass Salahaddin ein Kurde und fanatischer Verfolger der Schiiten war.
    In unmittelbarer Nähe liegen einige Mausoleen und ehemalige Koranschulen schönster Baukunst, und wenn man aus dem Westtor der Moschee hinausgeht, gelangt man in den berühmten Suk el Hamidije. Damit die Käufer in Ruhe feilschen können, ist der ganze Markt überdacht.
    Wenn man vom Suk el Hamidije nach rechts abbiegt, erreicht man die große Zitadelle, die ein Bruder Salahaddins erbaut hat. Biegt man aber nach links ab, erreicht man dasWesttor, Bab el Gabije, und das ist das Ende der Geraden Straße und zugleich die Grenze des Reichs meiner Kindheit. Entscheidet man sich aber, vom Suk geradeaus zu gehen, gelangt man zur neuen Stadt mit weiteren Perlen historischer Baukunst und außerdem zu unvergleichlichen Restaurants, in deren Gärten sich Traum und Wirklichkeit bei köstlicher Bewirtung vermischen.
    Wenn ich eines Tages wieder in einer dieser erfrischenden Oasen sitzen werde, wird mir meine jetzige Phantasie blass erscheinen.

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