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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON
Autoren: Daniel Suarez
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schnitzereiverzierten Möbeln. Es sah aus wie das Arbeitszimmer eines Naturphilosophen des achtzehnten Jahrhunderts. Bücherregale und Vitrinen mit Insekten und Gesteinsproben säumten die fensterlosen Wände. Überall lag Staub.
    Doch Sebeck starrte gebannt auf die geisterhaft durchsichtige Erscheinung Matthew Sobols, die hinter dem riesigen Mahagonischreibtisch saß, die Hände auf der Platte gefaltet, als warte sie geduldig. Es war der bereits operierte Sobol mit der leeren Augenhöhle, den hohlen Wangen und dem kahlen Kopf – das geschrumpfte Wrack eines Mannes, verwüstet von Krebs und Chemotherapie. Er trug denselben Anzug wie bei seiner Aufbahrung.
    Der Geist nickte feierlich grüßend. «Detective Sebeck. Ich habe Sie schon erwartet.» Er bedeutete Sebeck, näher zu treten. «Bitte, nehmen Sie Platz.»
    Sebeck sah Price an.
    Price nickte mitfühlend. «Ich weiß. Ist ganz schön gespenstisch, aber keine Bange, Sie sind nicht Hamlet, Sergeant. Das da ist eine
temporal offset projection
, eine zeitlich versetzte Projektion – ein interaktiver 3 D-Avatar , auf das GP S-Gitter projiziert. Sehen und hören kann man ihn nur über die HU D-Brille .»
    Sebeck musterte den Geist. Klappte dann seine Brillengläser hoch. Sobol verschwand. Er klappte sie wieder herunter, und Sobols Geist war wieder da. «So eine Art Privatdimension.»
    «Genau gesagt, ist es ein dynamisches Array, das eine variable Anzahl von Dimensionselementen kapseln kann.»
    Sebeck sah ihn verständnislos an.
    Price klopfte ihm auf den Rücken. «Sie haben schon recht. Es ist eine Privatdimension.» Er machte eine scheuchende Armbewegung. «Setzen Sie sich lieber hin. Er merkt es, wenn Sie’s nicht tun.» Sebeck ging zu einem der Ledersessel und setzte sich. Er wischte eine dünne Staubschicht von den Armlehnen und rutschte ein bisschen vor, damit ihn der Computergürtel nicht am Rücken drückte.
    Jetzt, wo er näher dran war, konnte Sebeck Sobol deutlicher sehen. Sein Phantom war ausgezehrt, die leere Augenhöhle gruselig. Es sah wirklich aus wie ein ruhelos umgehender Geist.
    Sobol blickte zu Price hinüber. «Lass uns allein.»
    «Verdammt.» Price sah Sebeck an. «Jetzt müssen Sie allein klarkommen, Mann. Ich muss mich verziehen.»
    Sebeck deutete auf Sobols Erscheinung. «Was sag ich diesem Ding?»
    «Ich hatte gehofft,
Sie
wüssten es.» Price eilte hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
    Sobols Geist blickte zur Tür. Mit einem lauten
Klick
fiel sie ins Schloss.
    Schließlich wandte sich Sobol wieder Sebeck zu. Er lächelte leise. «Ich bin froh, dass Sie es waren, Sergeant. Sie waren mein Favorit. So beschädigt durch Ihre Entscheidungen. Spielen haben Sie nie gelernt. Vielleicht war die Welt Ihnen ja deshalb ein solches Rätsel.»
    Sebeck starrte ihn an. «Warum sterben Sie nicht einfach?»
    Sobol fuhr nach einer kurzen Pause fort: «Säugetiere jedweder Spezies spielen. Das Spiel ist eine Erfindung der Natur, um uns auf schwierige Realitäten vorzubereiten. Sind Sie jetzt endlich bereit, der Realität ins Auge zu sehen, Sergeant?»
    «Lecken Sie mich am Arsch.»
    Sobols Geist zeigte auf die eigene Stirn. «Hier drin ist alles so klar. Auch wenn Sie es nicht sehen können.» Er ließ den Arm sinken. «Die Zivilisation ist im Scheitern begriffen.»
    Sebeck fühlte, wie ihn eine Welle des Grauens überspülte.
Guter Gott.
    «Die moderne Welt ist eine hocheffiziente Präzisionsmaschine. Aber genau das ist ihre Schwäche – ein loser Bolzen im Getriebe, und alles knirscht und kracht und kommt zum Stillstand. Was bleibt da noch für unsere Generation? Eine Kultur der Lüge, die die Schwäche kaschieren soll. Immer weniger Freiheit. Und das alles, um eine simple Tatsache zu verbergen: Die Postulate, auf die sich unsere Zivilisation gründet, sind nicht mehr gültig. Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie sich doch mal eins: Warum konnte ich das alles realisieren?»
    Sebeck veränderte nervös seine Sitzhaltung.
    «Doch wenn es uns nun gelänge, die Schwäche der Zivilisation zu beheben – so schmerzlich diese Korrektur auch sein mag?»
    Sobols Gesichtsausdruck wurde jetzt entspannter. «Aber Sie sind vermutlich verwirrt. Sie fragen sich, warum ich Sie systematisch als Schurken aufgebaut habe? Ganz einfach: Siewaren ein Köder – ein Köder, auf den sie prompt alle angebissen haben. Die Schwachen verbergen ihre Schwäche. Inzwischen haben die Plutokraten ihr Geld an sicherere Orte transferiert, und ich habe diese Transfers genau
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