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Dämmerung in Mac's Place (German Edition)

Dämmerung in Mac's Place (German Edition)

Titel: Dämmerung in Mac's Place (German Edition)
Autoren: Ross Thomas
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und wie leicht es bei ihm aussah.«
    »Eine Frage des Stils?«
    »Oder der Nerven.« Er schaute Haynes durch eine dicke Bifokalbrille noch genauer an. »Sie sehen wirklich wie er aus – oder wenigstens so, wie er, glaube ich, vor fast zwanzig Jahren auszusehen pflegte.« Undean machte eine Pause, öffnete den Mund, als wolle er noch etwas sagen, machte ihn stattdessen zu, nickte zum Abschied, drehte sich um und ging.
    »Was für einen Bericht, glaubst du, liefert Bruder Undean ab?« fragte Tinker Burns, sobald der Analytiker außer Hörweite war.
    Immer noch Undeans Rücken anstarrend, sagte Haynes: »›Wie ich allein die Menge an Steady Haynes’ Grab um fünfundzwanzig Prozent anwachsen ließ‹.«
    Burns schmunzelte und verschaffte sich einen schnellen Überblick über das leicht abfallende Friedhofsgelände mit seinen Reihen gleichförmiger weißer Grabsteine. »Als mir der Passierschein ausgestellt und die Anfahrtsbeschreibung gegeben wurde, sagte man mir, daß Steady nicht weit weg von zwei anderen großen Amerikanern begraben würde, Lee Marvin und John Mitchell. Wie hast du sie dazu gebracht, daß sie ihn hier verbuddeln?«
    »Isabelle hat es in die Wege geleitet«, sagte Haynes.
    Burns blickte sie an. »Erpressung?«
    »Was sonst?« sagte sie.
    »Wissen sie, daß du es warst?«
    »Natürlich.«
    Burns schüttelte anerkennend den Kopf, schmunzelte wieder und sagte: »Nun, das ist bei Gott ein großes Mittagessen wert, mit allem, was wir trinken können.«
    Ohne ihre Zustimmung zu seiner Einladung abzuwarten, die er offensichtlich für gegeben hielt, fragte Burns Gelinet, ob sie ein Auto habe. Nachdem sie genickt hatte, sagte Haynes von sich aus, er sei mit dem Taxi gekommen.
    »Dann fährst du mit mir, Granny, und wir treffen uns dort mit Isabelle.«
    »Wo?« fragte sie.
    »Wie wär’s mit Mac’s Place?« sagte Tinker Burns. »Wenn’s das noch gibt.«

3
    Der Mann mit dem höflichen Auftreten und dem kahlen Kopf wandte sich um 13.13 Uhr von dem Fenster im sechsten Stock ab und ließ sich gerade mit einem Seufzer in den Ledersessel mit dem hohen Rücken sinken, als Gilbert Undean den letzten Bissen seines Eiersalats auf Vollkorntoast vertilgte.
    Der Mann in dem Sessel mit dem hohen Rücken war Hamilton Keyes, der das Sandwich unten bestellt hatte, als er hörte, daß Undean noch nicht gegessen hatte. Nachdem sich Undean eine Spur Mayonnaise vom linken Mundwinkel geleckt, die unbenutzte Papierserviette sorgsam zusammengefaltet und zum möglichen zukünftigen Gebrauch in die rechte Tasche seiner braunen Fischgrätenjacke gesteckt hatte, sagte Hamilton Keyes: »Wissen Sie, Steady war nie beim Militär.«
    »Falsch«, sagte Undean. »Er war fünfzig und einundfünfzig in Korea.«
    »Aber nicht beim Militär«, sagte Keyes, lehnte sich in den Ledersessel zurück und legte seine Füße auf eine Ecke des 137 Jahre alten Rosenholzschreibtischs, den seine reiche Frau ihm zum fünfzehnten Hochzeitstag geschenkt hatte. Er hatte ihr The Collected Poems of Rupert Brooke in einer Ausgabe der Woodberry Society von 1915 geschenkt, numeriert (Nr. 27) und von George Edward Woodberry persönlich signiert. Keyes hatte die Ausgabe bei einem Garagenverkauf in Georgetown (wo er als Nachlaßverkauf bezeichnet wurde) für drei Dollar fünfzig erstanden, nachdem er erkannt hatte, daß sie zwischen fünfhundert und siebenhundert Dollar wert war.
    »Reden wir vom selben Steadfast Haynes?« sagte Undean.
    Keyes lächelte leicht und nickte. Als Karrierist hatte Keyes erst unlängst erkannt, daß er in der Agency so weit aufgestiegen war wie nur irgend möglich. Diese Erkenntnis war keineswegs ein Schock gewesen, nicht einmal eine Enttäuschung, sondern eher eine Art merkwürdige Erleichterung, und nun entwickelte er ein fast morbides Interesse am progressiven Schwund seines Ehrgeizes.
    »Wenn er in Korea nicht in der Army war«, sagte Undean, »was zum Teufel hat er dann dort gemacht?«
    »Er war Kriegsdienstverweigerer.«
    »Dann war’s ein anderer Steadfast Haynes«, sagte Undean, der den höflichen Mann seit 1962 kannte, als Hamilton Keyes, frisch von der Brown University, mit vollem Haarwuchs und schon damals von einer gewissen prononcierten Höflichkeit, auf Probe in die Agency eingetreten war.
    »Steady war beim American Friends Service Committee«, sagte Keyes. »Den Quäkern. Er fuhr einen Sanitätswagen, trug eine Bahre oder verteilte Doughnuts. Irgendwas Humanitäres. Er war der Siebten Division zugeordnet, als sie
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