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Dämliche Dämonen - Demonkeeper

Titel: Dämliche Dämonen - Demonkeeper
Autoren: Royce Buckingham
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einer verheerenden Hetzjagd durch ein asiatisches Dorf zwang, dessen aufgebrachte Bewohner den Hüter mit Speeren bedrohten, bereute er sein Experiment bitter und gelobte, sich fortan mit seinen Ideen zurückzuhalten.

    Während Nate vor den Urnen stand, wanderte sein Blick zu dem riesigen Buch auf dem Stehpult. Die vergilbten Seiten darin waren uralt, und auf dem rissigen Ledereinband standen die Buchstaben DHK. Das Dämonenhüter-Kompendium war die offizielle Methode der Wissensübermittlung an den jeweiligen Lehrling. Es existierte bereits seit den Zeiten Jamalas. Vorher hatte man das Wissen mündlich weitergegeben. Jamalas erster Eintrag in das Kompendium war ein Bericht darüber, wie er einmal einen wichtigen Zauberspruch vergessen hatte und danach beinahe von einem drittrangigen Wanderdämon, der sich eines Pferdekarrens bemächtigt hatte, überrollt worden wäre. Im Anschluss an die Anekdote wurden in allen Einzelheiten die Arbeitstechniken erläutert, die man im Umgang mit den Dämonen beherrschen musste, jeweils von dem Hüter aufgezeichnet, der sie perfektioniert hatte. Auch erfolglose Versuche waren dokumentiert, falls der Hüter noch dazu gekommen war, sie niederzuschreiben. Zum Beispiel nützte es überhaupt nichts, eine Erscheinung mit Worten zu verspotten, denn Erscheinungen existierten bloß auf visueller Ebene und konnten nicht hören.
    Die einzelnen Abschnitte im Kompendium waren leider in der Sprache des jeweiligen Hüters verfasst, und einige dieser Sprachen waren seit langem tot: Latein, Aramäisch, Sanskrit. Um das Handwerk des Dämonenhüters vollständig zu erlernen, musste man also ein Dutzend fremder und teilweise altertümlicher Sprachen beherrschen. Nate verstand bisher nur zwei. Englisch natürlich, und sein Bengali war ganz passabel. Mit den anderen Sprachen tat er sich ziemlich schwer.
    Er ließ sich auf den Stuhl am Fenster fallen, nestelte die Bestellgebührquittung hervor, die er beim Verlassen der Bücherei in die Tasche gestopft hatte, und zielte auf den Mülleimer. Aber als er den Zettel fortschnippen wollte, sah er, dass Sandy etwas daraufgeschrieben hatte: 737-5467. Nate blinzelte. Ihre Telefonnummer!
    Er griff nach dem altmodischen Apparat, aber plötzlich kribbelten seine Nackenhärchen, als wäre ein Dämon in der Nähe, und er hielt inne. Er sollte sich nicht mit Mädchen einlassen, und außerdem bekam er in Sandys Gegenwart Angst. Aber Dhaliwahl hatte ihm auch gesagt, man solle seinen Ängsten ins Auge schauen. Wenn zwei widersprüchliche Richtlinien vorgegeben waren, welcher folgte man dann? Sollte er sich Sandy aus dem Kopf schlagen, oder sollte er seine Angst vor ihr überwinden? Er holte tief Luft und wählte die Nummer.

    Jemand meldete sich. »Hallo, hier ist Sandy.«
    Nate wurde blass. Da war sie schon, seine Angst. Er fragte sich, ob Sandy sie wohl riechen konnte, so wie die Dämonen. »Hallo«, sagte er. »Ist da Sandy?« Nate zuckte zusammen. Sie hatte ihren Namen doch schon genannt. Ich Trottel , dachte er. Trottel, Trottel, Trottel.
    »Nathan, bist du das?«
    »Äh, ja«, sagte er.
    »Wow, ich hätte nicht gedacht, dass du anrufen würdest.«
    »Nun, ich, äh - ich habe deine Nummer gefunden und, äh...«
    »... und möchtest mich vielleicht fragen, ob wir etwas unternehmen wollen?«, schlug sie vor.
    Plötzlich ruckelten die Urnen hin und her - es klang fast, als würden sie kichern. Nate starrte zum Kamin hinüber, hielt den Hörer zu und flüsterte: »Ruhig, sonst verwandle ich euch in Blumenvasen!«
    »Wie bitte?«, fragte Sandy.
    Nate richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Hörer. »Ich sagte, äh - ›Komm ruhig her‹ und äh, ›Bring eine Blumenvase mit‹.«
    »Oh, das ist lieb. Und gerade heute Abend habe ich zufällig noch nichts vor.«
    »Heute Abend?«
    »Ja, ich hole dich in ein paar Minuten ab. Keine Sorge, ich kenne deine Adresse. Sie steht ja im Computer.«
    »Oh«, sagte Nate verblüfft.
    »Bis gleich. Bye«, sagte Sandy.
    Nate legte auf. Ihm war plötzlich ganz heiß. Er entriegelte das betagte Fenster und schob es hoch, um frische Luft hereinzulassen, dann wischte er sich über die Stirn und blickte im Zimmer herum. Nikolai hockte am Boden, bohrte sich mit einem dicken Finger im Ohr und schnaubte dämonisch.
    »O nein«, rief Nate, »sie darf auf keinen Fall ins Haus kommen!« Er wuchtete das Dämonenhüter-Kompendium vom Pult und stürmte hinaus, war aber so durcheinander, dass er vergaß, das Fenster wieder zu schließen.

9.
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