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Daddy Langbein

Daddy Langbein

Titel: Daddy Langbein
Autoren: Jean Webster
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könnte ich, glaube ich, ebenso anziehend sein wie irgendein anderes Mädchen. Ich glaube nicht, daß ein wirklicher untergründiger Unterschied da ist. Und Sie?

    Jedenfalls, Sallie McBride hat mich gern!

    Immer Ihre
    Judy Abbott
    (geborene Jerusha).

    Samstagmorgen.

    Gerade habe ich diesen Brief noch einmal durchgelesen. Er klingt recht trübselig. Aber vielleicht können Sie erraten, daß ich für Montag ein besonderes Thema habe und eine Geometriewiederholung und eine sehr schnupfige Erkältung?

    Sonntag.

    Gestern vergaß ich, den Brief einzuwerfen, darum füge ich eine empörte Nachschrift an. Wir hatten heute morgen einen Bischof, und was glauben Sie, daß er sagte?
    „Das wohltätigste Versprechen, das uns in der Bibel gemacht wurde, ist dieses: ,Die Armen sind immer bei Euch. Sie wurden geschaffen, damit Ihr mildtätig bleibt. 4 “
    Die Armen sind also, bitte beachten Sie das, eine Art nützliches Haustier. Wenn ich mich inzwischen nicht zu einer so vollkommenen Dame entwickelt hätte, wäre ich nach dem Gottesdienst zu ihm gegangen und hätte ihm meine Meinung gesagt.

    25. Oktober.

    Lieber Daddy-Langbein!

    Ich bin in der Basketball-Mannschaft, und Sie sollten die Verletzung auf meiner linken Schulter sehen. Sie ist blau und mahagonifarben mit kleinen Streifen Orange. Julia Pendleton versuchte, in die Mannschaft zu kommen, aber sie hat es nicht geschafft. Hurra!
    Sie sehen, wie bösartig ich veranlagt bin.
    Das College wird immer schöner. Ich mag die Mädchen und die Lehrer und die Klassen und den Campus und das Essen. Es gibt zweimal die Woche Gefrorenes und nie Maismehlbrei.
    Sie wollten ja wohl nur einmal im Monat von mir hören? Und ich habe alle paar Tage einen Brief an Sie gepfeffert! Aber ich war über alle diese neuen Abenteuer so aufgeregt, daß ich einfach mit jemand reden mußte. Und Sie sind der einzige, den ich kenne. Bitte entschuldigen Sie meine Überschwenglichkeit. Ich werde bald gesetzt sein. Wenn meine Briefe Sie langweilen, können Sie sie ja immer in den Papierkorb werfen.

    Ich verspreche, bis Mitte November keinen mehr zu schreiben.

    Aufs geschwätzigste

    Ihre

    Judy Abbott.

15. November.

    Lieber Daddy-Langbein!

    Hören Sie, was ich heute gelernt habe.
    Die Fläche der konvexen Oberfläche des Frustums einer regelmäßigen Pyramide ist die Hälfte des Produkts aus der Summe der Perimeter seiner Basen durch die Höhe jeder seiner Trapezoide.
    Es klingt durchaus unwahrscheinlich, aber es stimmt — ich kann es beweisen!
    Sie haben noch nie von meinen Kleidern gehört, nicht wahr, Daddy? Sechs Kleider, alle neu und wunderschön und für mich gekauft — nicht von jemand Größerem ererbt. Vielleicht können Sie sich nicht vorstellen, was für einen Höhepunkt das in der Laufbahn eines Waisenkindes bedeutet? Sie haben sie mir geschenkt, und ich bin sehr, sehr, sehr dankbar. Es ist eine herrliche Sache zu studieren — aber nichts gegen die schwindelerregende Erfahrung, sechs neue Kleider zu besitzen. Miss Pritchard, die im Besuchskomitee ist, suchte sie aus — Gott sei Dank nicht Mrs. Lippett. Ich habe ein Abendkleid, rosa Voile über Seide (darin bin ich hinreißend schön), und ein blaues Kleid für die Kirche und ein Dinerkleid in rot mit orientalischen Verzierungen (gibt mir das Aussehen einer Zigeunerin) und noch ein Kleid aus rosafarbenem Ripssamt und ein graues Kostüm für die Straße und ein Alltagskleid fürs College. Das wäre vielleicht für Julia Rutledge Pendleton keine furchtbar große Garderobe, aber für Jerusha Abbott
    — oh mei!
    Wahrscheinlich denken Sie jetzt, was für ein leichtfertiges, seichtes kleines Biest sie ist, und was für eine Geldverschwendung, ein Mädchen studieren zu lassen?
    Aber, Daddy, wenn Sie Ihr ganzes Leben mit kariertem Kattun bekleidet gewesen wären, dann wüßten Sie, wie ich mich fühle. Und als ich in die Oberschule kam, ging eine neue Periode meines Lebens an, die noch schlimmer war als der karierte Kattun:

    Die Armenkiste.

    Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schrecklich es mir war, in der Schule in diesen elenden Kleidern aus der Armenkiste zu erscheinen. Ich konnte sicher sein, daß ich in der Klasse ausgerechnet neben dem Mädchen sitzen würde, das das Kleid einst besessen hatte, und das flüsterte und kicherte dann und zeigte es den anderen. Die Bitternis, die abgelegten Kleider seiner Feinde tragen zu müssen, zerfrißt einem die Seele. Sollte ich auch für den Rest meines Lebens seidene Strümpfe tragen, so
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