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Daddy Langbein

Daddy Langbein

Titel: Daddy Langbein
Autoren: Jean Webster
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sehen, man hat auch Vorteile!
    Mein Zimmer ist in der Nordwestecke, mit zwei Fenstern und einer Aussicht. Nachdem man achtzehn Jahre lang in einem Schlafsaal mit zweiundzwanzig Zimmergenossen schlief, ist es ausruhend, allein zu sein. Dies ist die erste Gelegenheit, die ich je hatte, mit Jerusha Abbott bekannt zu werden. Ich glaube, ich werde sie gern haben.
    Und Sie?

    Dienstag.

    Die Mannschaft für Basketball wird zusammengestellt, und es ist vielleicht möglich, daß ich reinkomme. Ich bin natürlich klein, aber furchtbar schnell und gelenkig und zäh. Während die anderen in der Luft herumhupfen, komme ich unter ihren Füßen durch und schnappe den Ball. Es ist ein Mordsspaß, nachmittags draußen auf dem Spielfeld zu üben, während ringsum die Bäume ganz rot und gelb sind und die Luft voll vom Geruch verbrennender Blätter, und alles lacht und ruft. Hier sind die glücklichsten Mädchen, die ich je gesehen habe und ich bin von allen die Glücklichste!
    Ich hatte die Absicht, Ihnen einen langen Brief zu schreiben und alles zu erzählen, was ich lerne (Mrs. Lippett sagte, Sie wollten das wissen), aber gerade hat die siebente Stunde geläutet, und in
    zehn Minuten muß ich in Turnkleidern auf dem Sportfeld sein. Sie hoffen doch auch, daß ich es schaffe, in die Mannschaft zu kommen?
    Immer Ihre
    Jerusha Abbott.
    P. S. (neun Uhr).

    Sallie McBride steckte gerade ihren Kopf zur Tür herein. Jetzt kommt, was sie sagte:
    „Ich habe solches Heimweh, daß ich es einfach nicht aushalten kann. Gehts dir auch so?“
    Ich lächelte ein wenig und sagte, nein, ich dächte, ich könnte es ertragen. Wenigstens ist Heimweh eine Krankheit, der ich entronnen bin! Ich habe nie gehört, daß jemand Anstaltsweh hat, oder Sie?

10. Oktober.

    Lieber Daddy-Langbein!

    Haben Sie je von Michelangelo gehört?
    Er war ein berühmter Künstler, der im Mittelalter in Italien lebte. In der englischen Literatur schien jedermann ihn zu kennen, und die ganze Klasse lachte, weil ich ihn für einen Erzengel hielt. Klingt er nicht nach Erzengel? Das Schlimme am College ist, daß man so viele Dinge wissen müßte, die man nie gelernt hat. Es ist zuweilen sehr peinlich. Aber wenn jetzt die Mädchen über etwas reden, wovon ich nie gehört habe, sage ich nichts und schlage im Konversationslexikon nach.
    Gleich am ersten Tag machte ich etwas furchtbar Dummes. Jemand erwähnte Maurice Maeterlinck, und ich fragte, ob sie ein Freshman sei. Der Witz ging durchs ganze College. Aber jedenfalls bin ich in den Klassen genau so gescheit wie die anderen — und gescheiter als einige von ihnen!
    Möchten Sie wissen, wie ich mein Zimmer eingerichtet habe? Es ist eine Symphonie in Braun und Gelb. Die Wände waren gelblich, und ich habe gelbe grobleinene Vorhänge und Kissen gekauft und einen Mahagonischreibtisch (aus zweiter Hand für drei Dollar) und einen Korbsessel und einen braunen Teppich mit einem Tintenfleck in der Mitte. Ich stelle den Stuhl über den Fleck.
    Die Fenster liegen sehr hoch. Von einem gewöhnlichen Sitz kann man nicht hinausschauen. Aber ich habe den Spiegel hinten an der Kommode abgeschraubt, ein Polster auf der Kommode befestigt und sie vor das Fenster geschoben. Sie ist gerade hoch genug für einen Fenstersitz. Die Schubladen werden gleich Treppen herausgezogen, und man steigt hinauf. Sehr bequem!
    Sallie McBride half mir, die Sachen bei der Auktion der Senioren auszuwählen. Sie hat ihr ganzes Leben lang in einem Haus gewohnt und versteht etwas vom Einrichten. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lustig es ist einzukaufen und mit einem echten Fünf-Dollar-Schein zu bezahlen und Geld herauszubekommen — wenn man sein Lebtag nie mehr als ein paar Cents hatte. Glauben Sie mir, lieber Daddy, ich weiß mein Taschengeld zu würdigen.
    Sallie ist die unterhaltsamste Person von der Welt — und Julia Rutledge Pendleton die langweiligste. Es ist komisch, was der Verwaltungsbeamte in bezug auf Zimmergenossen für eine Mischung zustande bringen kann. Sallie findet alles lustig — sogar durchs Examen fallen —, und Julia langweilt sich über alles. Sie gibt sich nie die leiseste Mühe, liebenswürdig zu sein. Sie glaubt, allein die Tatsache, als eine Pendleton geboren zu sein, berechtigt schon zum Eintritt in den Himmel ohne jede vorherige Prüfung. Julia und ich sind geborene Feinde.
    Und nun, nehme ich an, haben Sie ungeduldig erwartet zu hören, was ich lerne?
    I. Latein:
    Zweiter Punischer Krieg. Hannibal und seine Streitkräfte haben
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