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CUT

CUT

Titel: CUT
Autoren: Juan Santiago
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jetzt
wird mir klar, was Timo mir da grad erzählt hat. Was hat meine Mutter? Moment
mal!!! Wieso kommt meine Mutter auf die blödsinnige Idee, Timo solle sie „Mutter“
nennen? Hat die sie noch alle? Ich weiß zwar nicht, was Steven ihr erzählt hat,
um sie hierher zu locken, aber das werde ich gleich mal herausfinden. Ich lasse
diesmal Timo stehen und gehe zu meiner Mutter.
    „Mama?“, frage ich. Sie lächelt mich
glücklich an.
    „Da hast Du Dir aber einen ganz Netten
ausgesucht. Auch wenn ich mir nun die Enkelkinder endgültig abschminken kann...
aber den mag ich“, erzählt sie mir.
    „Mama, wie kommst Du auf diese Idee?“,
will ich wissen. Irgendwie scheint mir hier eine wichtige Information zu
fehlen, scheint mir. Timos Eltern nähern sich mir.
    „Kind, zier Dich doch nicht so! Wir
wissen doch Bescheid“, säuselt sie und tätschelt meine Wange, als wäre ich noch
ein kleiner Junge. Das brauche ich jetzt wie Zahnweh! Andererseits will ich
mich jetzt nicht vor Timos Eltern schlecht benehmen, sonst hätte ich mal den
Kopf geschüttelt.
    „Hach, Olaf“, flötet Timos Mutter und
drückt mich an ihren monströsen Busen. Ich überlege mir wirklich, ob sie in irgendeinem
Verwandtschaftsverhältnis zu Violette steht - der Oberweite zufolge ganz
sicher. Wenn sie statt Psychologin in einem Milchbetrieb tätig wäre, dann würde
sie vermutlich problemlos das halbe Dorf versorgen können.
    „Tag, Frau Götz“, antworte ich wie ein
braver Sohn.
    „Sag Olga zu mir, mein Sohn“, antwortet
sie mir. Hallo? Sohn?
    „Frau Götz... Olga... was hat man Ihnen
denn gesagt, weshalb Sie herkommen müssen?“, will ich jetzt wissen. Sie lacht
hell auf und fällt mir förmlich um den Hals.
    „Olaf, eine Verlobung ist doch heutzutage
nichts Besonderes mehr, Sie müssen sich nicht schämen“, lacht sie.
    Ich glaube, ich bekomme die Krise! Leider
komme ich nicht mehr dazu, Steven beiseite zu nehmen, denn der hat soeben das
kleine Podium geentert, was in der Ecke steht, und räuspert sich in das
bereitstehende Mikrofon. Um ihn herum verstummen die Gespräche, die leise
klassische Musik wird ausgeblendet.
     
    „Meine lieben Freunde, Mitarbeiter,
Gäste, verehrte Anwesende“, begrüßt Steven die Gäste.
    „Ich freue mich über euer zahlreiches
Erscheinen. Zum einen weiß ein Großteil von Euch, dass ich kein Mann großer
Worte bin, zum anderen habe ich mich auf vielfachen Wunsch zweier einzelner
Personen heute hier durchgerungen, eine kleine Ansprache zu halten.“ Stimmt.
Ich habe Steven noch nie als Freund von großem Geschwätz, Gefühlsduseleien et
cetera gesehen. Der sagt uns ja nicht einmal jeden Tag, dass er uns liebt - und
nun eine Rede? Ist er krank? Oder geht’s um etwas Besonderes? 
    „Zum einen bin ich glücklich, dass hier
meine besten Freunde, meine engsten Bekannten und sogar meine liebsten
Verwandten den Weg in das kleine Steinwalden gefunden haben. Eigentlich sollte
ich glücklich sein, dass ich heute hier reden kann, denn wenn es nach gewissen
Individuen gegangen wäre, dann wäre das heute hier meine Trauerfeier. Ich danke
den Beamten der hiesigen Polizei, dass dies heute nicht der Fall ist.“ Steven
weist mit der Hand auf die Kollegen und die Werthmann. Der Polizeipräsident
nickt lächelnd.
     
    „Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass
dies trotzdem auch ein Tag ist, an dem wir derer gedenken, die nicht soviel
Glück hatten wie ich, denn außer mir standen noch drei weitere Menschen auf der
Liste des Mörders. Ich trauere um sie, denn Philipp Stern, Daniel Jansen und
Rudolf Oliver waren Freunde von mir und darüber hinaus geschätzte Kollegen...
Wo auch immer Ihr seid, wir werden Euch vermissen und Euer Andenken in Ehren
halten.“ Verdammt, das werden wir! Das bin ich zumindest Tristan schuldig.
     
    Als ich sehe, dass meine Mutter los reden
will, lege meinen Finger auf meine Lippen. Zum Glück begreift meine Mutter und
schweigt wie alle anderen auch. Im Hintergrund läuft der Trauermarsch von
Chopin. Eine Weile herrscht Stille, dann hebt Steven seinen Kopf und spricht
weiter.
    „Doch sollte dieser Tag nicht nur ein Tag
der Trauer sein, denn es gibt auch einen Grund zur Freude. Ich habe heute auch
eine kleine Erklärung abzugeben. Vor etwa einem Jahr sind ein paar Personen in
mein Leben getreten, deren Gegenwart ich nicht mehr missen möchte. Genau diesen
Personen habe ich jetzt auch einiges mitzuteilen.“ Steven unterbricht sich
selbst und lächelt Alex, Timo und mich kurz feierlich
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