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Culpa Mosel

Titel: Culpa Mosel
Autoren: Mischa Martini
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den Schmerz kannte er zur Genüge. Mehr oberflächlich, von der Haut her, kam der Schmerz. Vielleicht hatte eines der Viecher ihn dort gebissen.
    Nicht aufgeben! Solange es noch eine Chance gab, würde er kämpfen. Rudolf versuchte nicht zu strampeln, sondern mit den Beinen einen gleichmäßigen Druck aufzubauen. Sein Kopf wurde in die Folie gepresst, während er seine Füße mit aller Kraft gegen das andere Ende stemmte. Draußen wurde es wieder schlagartig hell. Für einen Moment hoffte er, der Scheinwerfer stamme von einem Schiff. Ein Steuermann könnte ihn entdecken. Er malte sich aus, wie ein Beiboot zu Wasser gelassen wurde.
    Blödsinn, die Schiffer hätten viel zu tun, wenn sie alles untersuchen wollten, was im Fluss trieb. Wenn er nicht bald hier rauskam, würden seine Muskeln durch das kalte Wasser so steif werden, dass an Schwimmen gar nicht mehr zu denken war. Im milchigen Licht sah er die Schlange, die zusammengerollt oberhalb seiner gefesselten Hände auf seinem Bauch lag. Wo die andere steckte, konnte er nicht feststellen. War sie in ein Hosenbein seiner Tights gekrochen oder war sie schon ertrunken? Er hechelte nach Luft, seine Arme und Beine kribbelten, als würde Strom hindurch geleitet.
    Als er beten wollte, fielen ihm keine Gebete ein, außer einem kurzen Tischgebet und einem zum Schlafengehen aus seiner Kindheit. Er hatte nie ernsthaft gebetet, nie einen persönlichen Wunsch geäußert gegenüber diesem Gott, an den er schon lange nicht mehr glaubte. Nun bat er stumm darum, gerettet zu werden. Er konnte nicht sprechen, aber wenn es ihn gab, würde er seine Gedanken lesen können.
    Wer tat ihm das hier an? Er wollte an niemanden denken, nicht an seine Exfrau, nicht an seine jetzige Frau, seine Kollegen, an niemanden. Er war ganz allein und musste das auch ganz allein durchstehen.
    Das Wasser stieg weiter. Mit geschlossenen Augen stemmte sich Rudolf noch einmal gegen die Plastikwände. Ein weiteres Gebet würde er nicht sprechen. Wunder waren nicht zu erwarten. Gott würde ihm keinen Engel schicken.
    Was machte ihn nur so ruhig? War es das Gift der Schlange, die Folgen der Verletzung, die Kälte? Es war ihm egal, er versuchte nicht einmal mehr, sich zu wehren …

Montag
    »Gibt es schon ein Urteil?«, fragte Gabi, als Grabbe am frühen Nachmittag zur Bürotür hereinkam. Sie löffelte Joghurt aus einem Becher.
    »Der Prozess zieht sich.« Grabbe ging hinter ihr vorbei zu seinem Schreibtisch, auf dem er seine Mappe ablegte. Ihr Rechner brummte leise, der Monitor war dunkel.
    »Wie steht die Sache?«
    »Keine Ahnung. Wir haben den halben Tag im Zeugenzimmer gehockt, dann ist Walde in den Gerichtssaal gerufen worden und ich konnte gehen.«
    »Die wollten dich nicht hören?«
    »Nein, sie hätte ja bereits alles zugegeben«, Grabbe zuckte mit den Schultern. »Ist vielleicht besser so.«
    Im Prozess ging es um eine Straftat aus dem letzten Winter. Eine Frau hatte Grabbe betäubt und in den Kofferraum seines Wagens verfrachtet; in diesem Gefängnis war er bei einem Brand um Haaresbreite dem Tod entgangen. Es wäre ihr zweiter Mord gewesen. Grabbe hatte ein schweres Trauma erlitten und war erst vor ein paar Wochen zur Mordkommission der Kripo Trier zurückgekehrt. Vorerst sollte er nur halbtags arbeiten.
    »Und bei dir?«, fragte Grabbe.
    »Nix Besonderes«, Gabi tippte auf die Maustaste, ihr Rechner kam wieder zu sich. »Eine Anfrage von der Kripo Koblenz ist per Mail gekommen, die Kollegen bitten uns um eine Zeugenbefragung.«
    »Und?«
    »Nix und.« Gabi hatte einen zweiten Becher Joghurt geöffnet. »Ich mache gleich Feierabend, sonst kriege ich meine Überstunden nie abgefeiert.«
    »Und wer kümmert sich um die Koblenzer Geschichte?«
    »Den Zeugen können wir zur Befragung einbestellen.«
    »Und wenn es eilig ist?«
    »Guck doch selbst, ich hab’ die Mail an dich weitergeleitet.« Sie schob die beiden Joghurtbecher ineinander und drückte den Deckel hinein.
    »Wo willst du hin?«, fragte Walde, als er Grabbe im Eingang des Präsidiums begegnete. »Kurz in die Stadt, ich hab’ dir einen Zettel mit der Adresse auf den Schreibtisch gelegt.«
    »Worum geht es?«
    »Eigentlich nur um eine Auskunft, die Koblenzer Kripo hat uns um Amtshilfe gebeten.«
    »Hatten wir nicht vereinbart, dass du nicht mehr allein unterwegs sein wirst?«
    »Das hier ist nur eine kleine Sache«, versuchte Grabbe abzuwiegeln.
    »Das kannst du doch jetzt noch gar nicht wissen.«
    »Ich habe mit dem Mann telefoniert. Ein alter,
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