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Culpa Mosel

Titel: Culpa Mosel
Autoren: Mischa Martini
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sich am Ende so weit nach unten, dass nur noch ein enger Pfad bis zu den Tischen frei blieb, wo kaum mehr als zwei Personen aneinander vorbeikamen. Das stärker werdende Rauschen kündigte den Wasserfall an.
    »Polizei, lassen Sie uns bitte durch!«, forderte Grabbe die Schaulustigen auf, die am Absperrband die gesamte Breite der Gasse einnahmen.
    »Hauptwachtmeister Knopp!« Ein älterer Polizist in Uniform hob das Band an und ließ die drei hindurchschlüpfen. Trotz des Getöses des nahen Wasserfalls sprach er für Waldes Empfinden zu laut. »Die Tochter hat sie gefunden. Sie ist oben in ihrer Wohnung im vierten Stock, Herr Dr. Herwegen ist bei ihr. Herr Sattler ist mit seinen Leuten bereits oben. Dritter Stock.« Er wandte den Kopf in Richtung Wasser. »Herr Dr. Hoffmann wollte auf Sie warten.« Der Gerichtsmediziner lehnte allein am Geländer und schaute auf den Wasserfall. Zwei weitere Polizisten standen an der anderen Seite der Absperrung, wo sich eine deutlich größere Schar von Gaffern eingefunden hatte.
    Noch während sich Walde fragte, wie Hoffmann so schnell hierher gekommen war, rief Gabi: »Bist du mit dem Rettungshubschrauber gekommen?«
    »So etwa«, Hoffmann drehte sich kauend um und blinzelte ins Sonnenlicht. Er hielt eine Porzellantasse in der Hand. »Als der erste Wagen von der KT mich überholt hat, habe ich mich einfach drangehängt.« Die Tasse war leer und beschwerte eine Hülle, in der ein Keks gesteckt hatte.
    »Ich bringe Sie zurück, Herr Dr. Hoffmann.« Der Polizist nahm die Tasse entgegen.
    »So stelle ich mir eine vernünftige Arbeit vor«, sagte Hoffmann, während er sich die Lippen abtupfte und hinter Gabi, Grabbe und Walde die Treppe hinaufstieg. »Ruhiger Tagesbeginn, zweites Frühstück an einer Sehenswürdigkeit, dann ein bisschen Tatortinspektion und anschließend Mittagessen in der Cafeteria.«
    Im dritten Stock stand ein Polizist an der Tür. »Herr Sattler lässt ausrichten, Herr Dr. Hoffmann?«, er blickte fragend zu den auf dem Treppenabsatz Ankommenden, »soll bitte zuerst reinkommen. Herr Bock und seine Leute mögen sich noch ein wenig gedulden.«
    Gabi drehte sich zu Walde und Grabbe um. »Jetzt bereue ich, dass ich nicht mehr rauche«, zischte sie und äffte den Polizisten nach. »Die Leute von Herrn Bock mögen sich doch bitte …«
    »Da drin wird es sicher eng werden und wir wollen doch alle das Gleiche«, versuchte Grabbe sie zu beruhigen. »Möchtest du dir das wirklich ich meine, du musst da gar nicht reingehen … hatten wir eigentlich schon einen Mord, seitdem du schwanger bist?«
    »Ich würde an deiner Stelle jedes weitere Wort auf die Goldwaage legen. Es gibt, soviel ich weiß, Urteile, die Schwangere aufgrund extremer Hormonschwankungen auch bei vermeintlich fiesesten Vergehen für vorübergehend nicht zurechnungsfähig …« So leise hatte Walde seine Kollegin noch nicht sprechen hören.
    Sattler, der aus der Tür kam, entspannte die Situation. »Wenn ihr die anzieht, könnt ihr rein.« Er reichte Walde drei Tüten mit blauen Plastiküberzügen für die Schuhe.
    In der Diele wies er ihnen den Weg zum Bad, wo sie in der Tür stehen blieben. Feuchte Luft schlug ihnen entgegen. Der Geruch konnte nicht von Badezusätzen stammen. In der die gesamte linke Seite des kleinen Raumes einnehmenden Wanne lag eine nackte alte Frau. An Wange und Mund klebten die bis zum Hals reichenden rötlichen Haare, deren grauer Ansatz am Scheitel die natürliche Farbe zeigte.
    Der auf den nassen Fliesen zwischen Toilette und Waschbecken kniende Gerichtsmediziner hatte sich seiner Jacke entledigt und sein Hemd am rechten Arm hochgekrempelt.
    »Verbrennung des Grades 2b an Rücken, Bauch und Gesäß«, sprach er in sein Diktiergerät. »Haut dunkelbraun verfärbt mit deutlicher Blasenbildung, Druckspuren an den Schultern, kreisrunde Verbrennung an der rechten Wade, vermutlich Fraktur der rechten Elle.«
    Er stützte sich beim Aufstehen auf dem Wannenrand ab. »Ich denke mal, die alte Dame war stark sediert, sonst wäre das, was man ihr angetan hat, nicht möglich gewesen, jedenfalls hätte es nicht genügt, sie an den Schultern niederzuhalten.« Er wischte mit der Hand über den in Kniehöhe feucht gewordenen Stoff seiner Hose. »Sie muss buchstäblich gekocht worden sein.«
    Sobald der Mediziner das Bad verlassen hatte, schlüpfte ein Techniker mit dem Fotoapparat hinein. Walde fragte sich, ob ihm bewusst war, in welch würdelosem Zustand sich sein Fotoobjekt befand. Als der Mann
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