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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon
Autoren: Neal Stephenson
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trommeln hört.
    Dann ist es die gleiche alte Übung, das Alarmtauchen, das so aufregend war, als er es in jungen Jahren in der Ostsee geübt hat, und das ihm mittlerweile so langweilig geworden ist. Im Aufblicken sieht er durch eine Luke flüchtig einen einzelnen Stern am Himmel, ehe ihm ein von oben herabstürzender, verstümmelter Seemann die Sicht versperrt.
    Nur fünf Minuten später erhält die V-Million einen Wasserbombentreffer am Achterschiff, der ein Loch in Außenhülle und Druckkörper reißt. Der Boden unter Bischoffs Füßen stellt sich schräg und in seinen Ohren beginnt es zu knacken. Auf einem Unterseeboot ist beides ein schlechtes Zeichen. Er kann Luken zuschlagen hören, während die Mannschaft versucht, das Vordringen des Wassers zum Bug hin aufzuhalten; jede Luke besiegelt das Schicksal dessen, der sich zufällig gerade achtern davon aufhält. Doch sie sind ohnehin alle tot, das ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit. Die Luken sind nicht darauf ausgelegt, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn Atmosphären Druck auszuhalten. Sie geben nach, der Druck schießt nach oben, während die Luftblase im vorderen Teil der V-Million plötzlich ihr Volumen halbiert, es dann noch einmal und noch einmal halbiert. Bischoff nimmt jede Druckwelle als plötzliche zermalmende Umklammerung seines Oberkörpers wahr, die ihm alle Luft aus den Lungen presst.
    Weil der Bug, wie die Nadel eines Messgeräts, geradewegs nach oben zeigt, gibt es keinen Boden mehr, auf dem man stehen könnte, sodass sie sich jedes Mal, wenn ein Schott nachgibt und der Wasserspiegel zum Bug hin nach oben schießt, plötzlich mit zusammengedrückten und geleerten Lungen untergetaucht sehen und nach oben schwimmen müssen, um die Luftblase wiederzufinden.
    Doch schließlich bohrt sich das ramponierte Achterschiff des Bootes in den Meeresgrund und die V-Million kommt zur Ruhe, die vorderste Kabine dreht sich um die beiden Männer und von überallher ist das gewaltige malmende Geräusch zu hören, mit dem der absackende Rumpf des Bootes ein Korallenriff zerstört. Und dann ist es vorbei. Günter Bischoff und Rudolf von Hacklheber befinden sich zusammen in einer sicheren, gemütlichen Blase von komprimierter Luft, sämtlicher Luft, die sich in der V-Million befand, nun jedoch auf ein Volumen von der Größe eines Autos reduziert ist. Es ist dunkel.
    Bischoff hört, wie Rudi die Verschlüsse seines Aluminium-Aktenkoffers öffnet.
    »Zünde bloß kein Streichholz an«, sagt er. »Die Luft ist komprimiert, sie würde brennen wie eine Fackel.«
    »Das wäre ja schrecklich«, sagt Rudi und knipst stattdessen eine Taschenlampe an. Das Licht leuchtet auf, trübt sich sofort und verdunkelt sich bis auf einen winzigen roten Funken: die glühenden Überreste des Fadens in der Birne.
    »Die Birne ist implodiert«, erklärt Bischoff. »Aber ich habe dich wenigstens kurz gesehen, mit diesem dämlichen Grinsen im Gesicht.«
    »Du hast auch schon besser ausgeschaut«, sagt Rudi. Bischoff hört, wie er den Aktenkoffer schließt und die Verschlüsse zuschnappen lässt. »Meinst du, mein Aktenkoffer wird für immer hier schwimmen?«
    »Irgendwann wird der Druckkörper über uns durchrosten. Die verbrauchte Luft wird in einer dünnen Linie von Bläschen entweichen, die sich im Aufsteigen an die Oberfläche zu wirbelnden Nebeln erweitern. Der Wasserspiegel wird steigen und deinen Aktenkoffer gegen die vordere Wölbung des Druckkörpers, oder was davon übrig ist, pressen und er wird sich mit Wasser füllen. Aber in einer Ecke deines Aktenkoffers wird vielleicht trotzdem noch eine kleine Luftblase übrig bleiben.«
    »Ich habe daran gedacht, einen kurzen Brief darin zu hinterlassen.«
    »Wenn du das tust, dann adressierst du ihn am besten an die Regierung der Vereinigten Staaten.«
    »Marineministerium, oder was meinst du?«
    »Spionageministerium. Wie heißt das doch gleich? OSS.«
    »Warum sagst du das?«
    »Sie haben gewusst, wo wir sind, Rudi. Die Catalinas haben schon auf uns gewartet.«
    »Vielleicht haben sie uns mit Radar gefunden.«
    »Radar habe ich mit einberechnet. Die Flugzeuge waren noch schneller da. Weißt du, was das bedeutet?«
    »Sag’s mir.«
    »Es bedeutet, dass die, die uns gejagt haben, wussten, wie schnell die V-Million fahren kann.«
    »Aha... deshalb also denkst du an Spione.«
    »Ich habe Bobby die Pläne gegeben, Rudi.«
    »Die Pläne für die V-Million?«
    » Ja… damit er sich bei den Amerikanern einen Pardon kaufen kann.«
    »Tja,
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