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Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
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schlimm, und wie! Das Problem ist nur, dass du dich an nichts erinnern kannst.«
    Eve, die die ewigen Diskussionen leid war, griff nach einer Reisetasche und ihrem Notebook und schleppte beides zum Camry, in dem Samson inzwischen schrie, als wolle er die Toten erwecken. Ja, sie hatte tatsächlich erhebliche Gedächtnislücken, aber keine totale Amnesie. Sie erinnerte sich an bruchstückhafte Einzelheiten aus jener Nacht, schmerzhafte kleine Scherben, die immer wieder ganz plötzlich in ihr Bewusstsein drängten. Sie wusste noch, dass sie sich verspätet hatte. Sie erinnerte sich daran, wie Roy auf dem Boden lag, mehr tot als lebendig, wie er langsam verblutete. Sie erinnerte sich an die mit Blut geschriebene Zahl 212 an der Wand und daran, dass sie mit dem Handy Hilfe hatte rufen wollen. Sie erinnerte sich, im Fenster die Pistole gesehen zu haben, bevor der Schuss losging. Und sie erinnerte sich an das Blut. Überall Blut – Spritzer an den Wänden, Lachen auf dem Boden, ihr Handy klebrig von Blut, das aus Roys Hals und Schläfe rann …
    Sie schloss sekundenlang die Augen und atmete tief durch. Wieder einmal überkamen sie die ewig lauernden Schuldgefühle. Tief, düster und tödlich. Nachts fraßen sie an ihr, verfolgten sie in ihren Träumen. Wäre sie zum vereinbarten Zeitpunkt in der Hütte gewesen, dann wäre ihr Freund Roy vielleicht noch am Leben … Innerlich zitternd öffnete sie die Augen, sah zu den unheilverkündenden Wolken am Himmel auf.
    »Die Ärzte sagen, mein Erinnerungsvermögen wird wahrscheinlich zurückkehren«, sagte Eve mit fester Stimme und stellte die Reisetasche auf den Rücksitz. Das Notebook verstaute sie neben dem Transportkorb. Samson spähte mit geweiteten Pupillen durch das Gitter.
    »Vielleicht wäre es gar nicht so gut, wenn du dein Gedächtnis wiederfindest.«
    Herrgott, Anna war heute Morgen wirklich nervtötend. Eve warf ihre Handtasche auf den Beifahrersitz und drehte sich um. »Hast du nicht selbst gesagt, dass es ein Selbstschutzmechanismus ist, wenn das Bewusstsein traumatische Erlebnisse ausblendet?« Anna strich sich das lange Haar aus den Augen. Sie stand so dicht vor Eve, dass diese ihren Rauch- und Kaffeeatem und einen Hauch von Parfüm wahrnahm. »Vielleicht willst du gar nicht wissen, was passiert ist.«
    »Doch, ich will es wissen«, entgegnete Eve.
    Auf der anderen Straßenseite wurde eine Tür geöffnet, ein fast achtzigjähriger Mann mit beginnender Glatze trat in gestreiftem Frottee-Bademantel und Hausschuhen auf die Veranda und sah durch dicke Brillengläser zu ihnen herüber. Er winkte flüchtig, dann bückte er sich, um die Zeitung aufzuheben.
    »Guten Morgen, Mr Watters«, grüßte Anna und winkte zurück, während der Nachbar die Schlagzeilen überflog und wieder im Haus verschwand. Dann senkte sie die Stimme. »Ich bitte dich doch nur, noch zu warten. Eine Woche oder zwei, bis du besser bei Kräften bist. Vielleicht wissen wir bis dahin auch Näheres über Cole. Bleib hier, bis du sicher sein kannst, dass dir keine Gefahr mehr droht.«
    »Das bin ich.«
    »Aber er ist gefährlich.«
    Eve war bereits auf dem Weg zurück zum Haus. »Außerdem will ich mir einen Hund zulegen … einen Welpen.«
    Anna Maria zog ein letztes Mal an ihrer Virginia Slim, dann ließ sie die Kippe fallen und trat sie aus. »Einen Welpen? Der wird dich wohl kaum vor Verbrechern beschützen!«
    »Ich meine einen ganz, ganz gefährlichen Welpen.«
    In Annas besorgtem Blick lag nicht die Spur von Humor. »Hör mal, Eve, so sehr du auch versuchst, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen – Tatsache ist und bleibt doch: Jemand hat versucht, dich umzubringen.«
    »Ich war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    Anna sah sie entnervt an. »Du hast doch selbst gesagt, dass es Cole war. Du wolltest sogar vor Gericht bezeugen, dass er auf dich geschossen hat. Und jetzt … jetzt scheint es, als käme er wieder auf freien Fuß. Die Beweisführung gegen ihn ist in sich zusammengefallen. Das heißt aber nicht, dass er dich in Zukunft in Ruhe lassen wird. Er hat dir doch schon einmal nachgestellt, nicht wahr? Als er auf Kaution frei war? Er hat angerufen, wollte sich mit dir treffen, und du idealistisches Dummchen hättest dich tatsächlich um ein Haar darauf eingelassen! Was in aller Welt hast du dir nur dabei gedacht?«
    Eves Magen verkrampfte sich. Der Kopfschmerz, der nie ganz verschwand, pochte jetzt zäh in ihrem Schädel. Sie wollte nicht wieder an all das
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