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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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wochenlangen Krankenhausaufenthalt mit den Magenuntersuchungen dokumentierte. Eine ordentliche, gerundete Schrift – aber zornig, jedes Wort tief ins Papier gedrückt:
    Ich bin eine Krankenschwester, die Marian Crellin in dieser Woche bei den Untersuchungen wie auch bei vorherigen Aufenthalten betreut hat. Ich bin der ganz festen (letzteres zweimal unterstrichen) Überzeugung, dass dieses Kind überhaupt nicht krank ist. Ohne seine Mutter wäre es völlig gesund. Das Kind zeigt immer dann Krankheitssymptome, wenn es mit der Mutter allein war, selbst wenn es sich vor dem mütterlichen Besuch absolut wohlgefühlt hat. Die Mutter hat kein Interesse an Marian, solange sie gesund ist, scheint sie im Gegenteil sogar dafür zu bestrafen. Sie hält das Kind nur im Arm, wenn es krank ist oder weint. Ich und einige andere Schwestern, die diese Erklärung im eigenen Interesse nicht unterzeichnet haben, sind zutiefst davon überzeugt, dass das Kind wie auch seine Schwester zur weiteren Beobachtung von zu Hause weggeholt werden sollten.
    Beverly Van Lumm
    Rechtschaffene Empörung. Davon hätten wir mehr gebraucht. Ich stellte mir Beverly Van Lumm vor, stämmig und mit schmalen Lippen, das Haar zu einem straffen Knoten gesteckt, wie sie den Brief rasch im Nebenzimmer schrieb, nachdem sie Marian schlaff in den Armen meiner Mutter zurücklassen musste. Denn es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Adora nach einer Schwester rufen würde.
    Binnen einer Stunde hatte ich die Krankenschwester auf der Kinderstation aufgespürt, die aus einem großen Raum mit vier Betten bestand, von denen nur zwei belegt waren. Ein kleines Mädchen las friedlich, der kleine Junge nebenan schlief in aufrechter Stellung, den Hals in einer Metallschiene, die unmittelbar in sein Rückgrat geschraubt schien.
    Beverly Van Lumm war ganz und gar nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Ende fünfzig, winzig, mit kurzem, silberweißem Haar. Sie trug eine geblümte Schwesternhose und eine leuchtend blaue Jacke. Hinter ihrem Ohr klemmte ein Stift. Als ich mich vorstellte, schien sie sich sofort zu erinnern und wirkte nicht sonderlich überrascht, dass ich endlich aufgetaucht war.
    »Es ist schön, Sie nach so vielen Jahren wiederzusehen«, sagte sie mit warmer, tiefer Stimme. »Manchmal stelle ich mir vor, Marian käme herein, erwachsen, mit ein oder zwei Kindern. Tagträume können gefährlich sein.«
    »Ich bin gekommen, weil ich Ihre Notiz gelesen habe.«
    Sie schnaubte. »Hat viel genützt! Wäre ich nicht so unerfahren und nervös gewesen, so beeindruckt von den Herren Doktoren, wäre mehr als nur eine Notiz daraus geworden. Damals war so etwas natürlich kaum bekannt. Hat mich um ein Haar meine Stelle gekostet. Die Leute wollen solche Dinge ja einfach nicht glauben. Klingt ja auch nach Grimms Märchen.«
    »Was klingt nach Grimms Märchen?«
    »Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Die pflegende Person,
fast immer
die Mutter, macht ihr Kind krank, um selbst Aufmerksamkeit zu erregen. Leidet man unter Münchhausen, macht man sich selbst krank. Bei Münchhausen-Stellvertreter macht man sein Kind krank, um zu beweisen, was für eine liebe- und hingebungsvolle Mutter man ist. Erinnert an die bösen Feen bei den Brüdern Grimm, oder? Wundert mich, dass Sie noch nie davon gehört haben.«
    »Irgendwo klingelt was bei mir.«
    »Es wird immer bekannter. Und populärer. Die Menschen lieben das Neue und Unheimliche. Ich erinnere mich noch, als in den Achtzigern die Magersucht modern wurde. Je mehr Filme es darüber gab, desto mehr Mädchen fingen an zu hungern. Sie selbst scheinen mir aber ganz okay zu sein. Gott sei Dank.«
    »Na ja, geht so. Ich habe noch eine Schwester, die nach Marian geboren wurde. Um die mache ich mir Sorgen.«
    »Zu Recht. Bei Münchhausen-Müttern ist es besser, nicht der Liebling zu sein. Sie hatten Glück, dass Ihre Mutter weniger an Ihnen interessiert war.«
    Ein Mann in leuchtend grüner Krankenhauskleidung sauste im Rollstuhl über den Flur, gefolgt von zwei dicken, lachenden Männern, die ähnlich gekleidet waren.
    »Medizinstudenten«, sagte Beverly und verdrehte die Augen.
    »Haben die Ärzte auf Ihren Bericht hin etwas unternommen?«
    »Ich selbst nannte es Bericht, sie bezeichneten es als kleinliche Eifersucht einer kinderlosen Krankenschwester. Wie gesagt, es waren andere Zeiten. Heute sind Schwestern etwas besser angesehen.
Etwas
. Und um fair zu sein, ich habe auch nicht darauf gedrängt. War frisch geschieden, auf die
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