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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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negligeable. Später war Maria jedoch mächtig in Mode gekommen. Gebetsmühlenhaft rezitierte der Alte die Verse der lauretanischen Litanei:
                “ Auxilium Christianorum, ora pro nobis. Regina angelorum, ora pro nobis. Regina patriarcharum, ora pro nobis. Regina prophetarum, ora pro nobis.”
                Pio ließ das nasale Gewinsel mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen. Es passte irgendwie ins Bild, dass sich sowohl der Freizeit-Satanist Dirrigl als auch Niederstrasser, dieser unverbesserliche Altar-Arier, als glühende Marienverehrer geriert und bei jedem noch so nichtigem Anlass voller Inbrunst gestammelt hatten:
                „Totus tuus!“
                Es wurmte Pio, dass ihm der aalglatte Templer-Teufel entwischt war. Nur ein toter Feind, war ein guter Feind:
                „Regina apostolorum, ora pro nobis. Regina martyrum, ora pro nobis. Regina confessorum, ora pro nobis. Regina virginum, ora pro nobis.”
                Und wer war Schuld an dem ganzen Schlamassel? Dieser Sargnagel von einem Novizen! Hätte sich der Arsch mit Ohren nicht selbst in die Luft gesprengt, hätte er ihn eigenhändig erwürgt. Dabei hatte Pio alles perfekt geplant: ein „Finderlohn“ in zweistelliger Millionenhöhe hatte als Köder gedient, um den alten, misstrauischen Fuchs aus seinem Bau zu locken. Nach einigem zögern hatte Niederstrasser einem Sondierungsgespräch in der Hochhartinger Kartause zugestimmt. Unter der Bedingung, dass ihn seine Rittergarde begleiten dürfe. Er hatte sein Plazet gegeben – wohl wissend, dass ihm seine bis zu den Zähnen bewaffnete Eskorte nichts nützen würde. Der zu Füßen Marias kauernde Graukopf radebrechte in einem fort:
                „ Regina sanctorum omnium, ora pro nobis. Regina sacratissimi Rosarii, ora pro nobis. Regina pacis, ora pro nobis.“
                Pio spürte wie die Kälte in seine Füße kroch. Er war es leid den Helden, den heiligen Krieger zu markieren. Sollten doch andere die Kastanien aus dem Fegfeuer holen. Er fühlte sich jedenfalls zu alt, um als Märtyrer oder als Futter für die Muränen zu enden.
     
    Müden Schritts schlurfte der spindeldürre Mönch an ihm vorbei. Er hörte den wohl an Demenz leidenden Alten sinnentleert murmeln:
                „Demon est deus inversus!“
                Pio hatte genug gebetet, er raffte den Ordensmantel um den Leib und machte sich auf den Rückweg. Der lange Gang, der geradewegs zur Pforte führte, lag einsam und verlassen. Wieso war das Attentat auf Niederstrasser misslungen – und in einem Desaster, ja einer mittleren Katastrophe geendet? Die Geschichte ging ihm nicht aus dem Kopf. Zunächst hatte alles wie am Zündschnürchen geklappt. Sie hatten sich Zutritt zu den Kellerräumen der Einsiedelei verschafft und dort alles für die Sprengung vorbereitet. Danach hatte er in Begleitung seines Leviten jeden Winkel der Klause auf den Kopf gestellt – doch nur ein paar, augenscheinlich wertlose Bücher in dem Saustall gefunden. Also blieb es bei Plan A: den verräterischen Judas samt seiner Templerbande zu eliminieren und das gesamte, in der Einsiedelei gehortete Material mit einem Schlag zu vernichten. Fatalerweise hatte er den Beteuerungen Rakauskas Glauben geschenkt, dass er für die Miliz der Maroniten im Libanon als Sprengstoffexperte gearbeitet habe - und es ihm überlassen, die Zündkabel zu verlegen und die Sprengkapsel scharf zu machen. Dabei konnte er noch von Glück reden, dass er noch einmal in die Stadt gefahren war, um mit einem Mittelsmann Niederstrassers Protokollfragen des nächtlichen Konsiliums zu klären. Auf der Achtalbundesstraße hatte er sich noch über die Polizei- und Rotkreuzfahrzeuge gewundert, die ihn mit Blaulicht und Sirene reihenweise überholten. Noch ehe er die Absperrgatter am Zufahrtsweg zur Einsiedelei erreichte, war ihm klar geworden, dass seinem „Experten“ wohl ein tödlicher Fehler unterlaufen war. Pio bog ums Eck und betrat das Vestibül der ehemals herrschaftlichen Klosteranlage. Die Figur des gegeißelten Heilands duckte sich in eine Nische. Christus war an einen Säulenstumpf gekettet, neigte sein mit Dornen bekröntes Haupt und weinte bittere, blutige Tränen über die Schlechtigkeit der Welt. Pio salutierte lässig. Er und Jesus waren quitt! Von nun an würde er ein Anderer, ein Wanderer zwischen den Welten sein. Das von Leid und Schmerz gezeichnete
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