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Creepers

Creepers

Titel: Creepers
Autoren: David Morrell
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tödlich sein. Die Behörden neigen dazu, Freiheitsstrafen und/oder hohe Geldstrafen zu verhängen, um Nachahmer abzuschrecken. Dementsprechend betonen viele dieser Websites, dass die »Creepers« die Erlaubnis der Eigentümer einholen, alle denkbaren Sicherheitsvorkehrungen beachten und niemals etwas Gesetzwidriges tun sollten. Diese Warnungen klingen höchst verantwortungsbewusst, ich habe aber den Eindruck, dass das Risiko und der Reiz des Verbotenen für viele »urban explorers« ein wichtiger Teil ihres Hobbys sind. Es ist kaum ein Zufall, dass der Slangausdruck für das Betreten eines verlassenen Gebäudes aus der militärischen Terminologie stammt; es ist der Begriff für das geheime Eindringen in feindliches Territorium, »Infiltration«. Wie die Website www.infiltration.org es ausdrückt, sind das Ziel »Orte, an denen man nicht erwünscht ist«.
    »Creepers« sind meist zwischen achtzehn und dreißig Jahre alt, intelligent und gebildet, an Geschichte und Architektur interessiert, und oft arbeiten sie in Berufen, in denen sie mit Computertechnologie zu tun haben. Ihr Hobby ist weltweit verbreitet; es gibt Gruppen in Japan, Singapur, Deutschland, Polen, Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Holland, England, Kanada, den Vereinigten Staaten und noch in mehreren anderen Ländern. Die australischen Gruppen sind vor allem von dem Netz aus Entwässerungskanälen unter den Städten Sydney und Melbourne fasziniert. Europäische Gruppen ziehen oft verlassene militärische Anlagen aus den Weltkriegen vor. US-amerikanische Gruppen zieht es in alte Kaufhäuser und Hotels, die aufgegeben wurden, als der soziale Niedergang die Menschen aus Städten wie Buffalo und Detroit in die Vororte trieb. In Russland sind die »Creepers« besessen von dem ursprünglich geheimen, vielstöckigen Moskauer U-Bahn-Netz aus der Zeit des Kalten Krieges, das zu dem Zweck angelegt wurde, im Fall eines Nuklearangriffs die Bürokraten evakuieren zu können. Aufgelassene Krankenhäuser, psychiatrische Kliniken, Theater und Sportstadien - jedes Land hat seinen Forschern attraktive Stätten zu bieten.
    Einer der ersten »urban explorers« war ein Franzose, der im Jahr 1793 bei einer Expedition in die Pariser Katakomben verschwand. Es dauerte elf Jahre, bis seine Leiche gefunden wurde. Wie einer der Protagonisten von Creepers anmerkt, war auch der Dichter Walt Whitman ein früher »urban explorer«. Der Autor von Grashalme arbeitete als Reporter für den Brooklyn Standard und schrieb für die Zeitung über den Atlantic-AvenueTunnel. Der 1844 errichtete Bau galt als der erste UBahn-Tunnel der Welt, wurde aber schon siebzehn Jahre später wieder aufgegeben. Bevor er versiegelt wurde, wanderte Whitman hindurch. »Dunkel wie das Grab, kalt, feucht und still«, schrieb er. »Wie schön doch Himmel und Erde erscheinen, wenn man wieder aus der Finsternis hervortritt! Es wäre vielleicht von Vorteil, uns Sterbliche oder doch die Unzufriedenen unter uns, und das sind nicht wenige, von Zeit zu Zeit in einen Tunnel von mehreren Tagereisen Länge zu schicken. Vielleicht würden wir danach weniger zu murren haben über Gottes Handwerkskunst.«
    Aber was der wirkliche Reiz der »urban exploration« ist, hatte Whitman nicht verstanden. Er sah den Tunnel in einem negativen Licht. Für einen wirklichen Liebhaber ist gerade die kalte, feuchte, lautlose Dunkelheit eines Tunnels, eines verlassenen Wohnblocks oder einer aufgelassenen Fabrik das, was den Reiz ausmacht. Die unheimliche Anziehungskraft einer geisterhaften Vergangenheit: Ich nehme an, das war es, was ein anderer Entdecker empfand, als er 1980 denselben AtlanticAvenue-Tunnel erforschte, 119 Jahre, nachdem er versperrt und vergessen worden war.
    Ein Großereignis der modernen »urban exploration« fand vor kurzer Zeit in den Pariser Katakomben statt. Die Katakomben sind Teil eines über 250 Kilometer langen Tunnelsystems unter Paris, Ergebnis der Steinbrucharbeiten, die viele Jahrhunderte lang das Baumaterial für die Stadt lieferten. Im 18. Jahrhundert wurden einige der Tunnel dafür verwendet, Tausende von Leichen aufzunehmen, weil den Pariser Friedhöfen der Platz ausgegangen war.
    Im September des Jahres 2004 entdeckte ein Team französischer Polizisten bei einer Übung ein vollständig eingerichtetes Kino zwischen den Knochen. Die Sitzplätze waren in den Fels gehauen worden. Eine kleine Nebenhöhle diente als Bar und Restaurant; es gab Reihen von Whiskyflaschen ebenso wie ein professionelles
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