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Credo - Das letzte Geheimnis

Titel: Credo - Das letzte Geheimnis
Autoren: Douglas Preston
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ebenso viele Tassen schlechten Kaffees später stand Dolby vor dem riesigen Flachbildschirm. Er war noch dunkel – die Protonen- und Antiprotonen-Strahlen waren noch nicht miteinander in Kontakt gebracht worden. Esdauerte ewig, die Maschine hochzufahren und Isabellas supraleitende Magneten herunterzukühlen, die gewaltige Stromstärken aushalten mussten. Dann konnte die Leistung nur in Fünf-Prozent-Schritten gesteigert werden, da man ständig die Strahlen fokussieren und kollimieren, die supraleitenden Magneten überprüfen und diverse Testprogramme laufen lassen musste, ehe man wiederum um fünf Prozent steigern konnte.
    »Neunzig Prozent«, verkündete Dolby.
    »Jesus, Scheiße«, sagte Wolkonski irgendwo hinter ihm und versetzte der Kaffeemaschine einen Schlag, dass sie klapperte wie der Zinnmann aus dem
Zauberer von Oz
. »Schon wieder leer!«
    Dolby verkniff sich ein Lächeln. Während der zwei Wochen, die sie hier auf der Mesa verbracht hatten, hatte Wolkonski sich als Klugscheißer entpuppt – ein fauler, gammeliger Kerl ohne Manieren, dem zu viel Geld in den Hintern geschoben wurde; er hatte langes, fettiges Haar, trug zerrissene T-Shirts, und an seinem Kinn klebte ein Klümpchen Bart, das an Schamhaar erinnerte. Er sah eher aus wie ein Drogensüchtiger denn wie ein brillanter Software-Spezialist. Aber vielleicht waren die alle so.
    Ein weiteres gelassenes Ticken der Uhr.
    »Strahlen ausgerichtet und fokussiert«, sagte Rae Chen. »Schwerpunktsenergie beträgt vierzehn Tera-Elektronenvolt.«
    »Isabella macht gut«, sagte Wolkonski.
    »Bei mir ist alles grün«, sagte Cecchini, der Teilchenphysiker.
    »Sicherheit, Mr. Wardlaw?«
    Der Sicherheitsbeauftragte, Wardlaw, meldete von seiner Überwachungskonsole: »Nur Kakteen und Kojoten, Sir.«
    »Also schön«, sagte Hazelius. »Es ist so weit.« Er machteeine dramatische Pause. »Ken? Bringen Sie die Strahlen zur Kollision.«
    Dolby spürte, wie sein Herz einen Satz machte. Er legte die spinnenartigen Finger an die Konsole und justierte die Regler; seine Berührung war so feinfühlig wie die eines Pianisten. Dann tippte er rasch einige Befehle auf der Tastatur.
    »Kontakt.«
    Auf einen Schlag erwachten die riesigen Flachbildschirme überall um sie herum zum Leben. Ein beinahe singendes Geräusch hing plötzlich in der Luft, das von überall und nirgends zu kommen schien.
    »Was ist das?«, fragte Mercer erschrocken.
    »Eine Billion Partikel, die durch die Detektoren geblasen werden«, sagte Dolby. »Die Kühlung erzeugt hohe Vibrationen.«
    »Himmel, das hört sich an wie der Monolith aus
Odyssee im Weltraum

    Wolkonski gackerte wie ein Affe. Alle ignorierten ihn.
    Ein Bild erschien auf dem zentralen Monitor, dem sogenannten Visualizer. Dolby starrte wie gebannt darauf. Es sah aus wie eine riesige Blume – flackernde, farbige Strahlen, die von einem einzigen Punkt ausgingen und sich verzerrten und wanden, als wollten sie sich von dem Bildschirm losreißen. Ehrfürchtig stand er vor diesem Bild intensivster Schönheit.
    »Kontakt erfolgreich«, sagte Rae Chen. »Strahlen kollimiert. Lieber Himmel, das war perfekt!«
    Freudenrufe und vereinzeltes Händeklatschen ertönten.
    »Meine Damen und Herren«, sagte Hazelius, »willkommen in der Neuen Welt.« Er deutete auf den Visualizer. »Sie sehen vor sich eine Energiedichte, wie es sie seit dem Urknall in diesem Universum nicht mehr gegeben hat.« Er wandte sich Dolby zu. »Ken, bitte die Leistung in Zehntelschritten auf neunundneunzig erhöhen.«
    Das ätherische Summen wurde noch ein wenig lauter, als Dolby sich an der Tastatur zu schaffen machte. »Sechsundneunzig«, sagte er.
    »Schwerpunktsenergie siebzehn Komma vier TeV«, sagte Chen.
    »Siebenundneunzig … Achtundneunzig.«
    Angespanntes Schweigen senkte sich über das Team, einzig das Summen erfüllte nun den unterirdischen Kontrollraum; es klang, als singe der Berg um sie herum.
    »Strahlen noch im Fokus«, sagte Chen. »Schwerpunktsenergie zweiundzwanzig Komma fünf TeV.«
    »Neunundneunzig.«
    Isabellas Summen klang immer höher und reiner.
    »Moment mal«, sagte Wolkonski und beugte sich über die Workstation des Supercomputers. »Isabella ist … langsam.«
    Dolby fuhr herum. »Mit der Hardware ist alles in Ordnung. Das muss eine weitere Software-Panne sein.«
    »Software ist
keine
Problem«, sagte Wolkonski.
    »Vielleicht sollten wir hier aufhören«, sagte Mercer. »Irgendwelche Hinweise auf Entstehung eines Schwarzen Mini-Lochs?«
    »Nein«,
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