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Crash

Crash

Titel: Crash
Autoren: J. G. Ballard
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ersten Gradienten von Entzücken und Aufgeschrecktheit überwand. Seine Augen rollten wild umher und sahen sich in der glasumschlossenen Zwischenetage um, während er bereits die ersten Funken von mit Bewegung verschmolzenem Licht wahrnahm.
    Wir gingen zu seinem Auto, das er in zweiter Reihe neben einem Flughafenbus geparkt hatte. Vaughan, der einige Schritte vor mir ging, bewegte sich wie ein übervorsichtiger Schlafwandler. Er betrachtete verschiedene Ausschnitte des Himmels, während er - wie ich selbst mich nur zu gut erinnerte - den ersten jener seltsamen Lichtwechsel erfuhr, der binnen einem Sekundenbruchteil einen hellen Sommernachmittag in einen bleiernen Winterabend verwandeln kann. Vaughan nahm auf dem Beifahrersitz des Lincoln Platz und preßte die Schultern in die Polster. Er saß da, als wollte er offen seine Verletzungen zur Schau stellen. Er sah mir zu, wie ich ungeschickt den Anlasser betätigte, während er mich wegen des Eifers verspottete, den ich an den Tag legte, um ihn anzutreiben, doch gleichzeitig akzeptierte er auch sein Scheitern und meine Autorität über ihn.
    Als ich den Motor gestartet hatte, legte mir Vaughan die bandagierte Hand auf den Schenkel. Überrascht von diesem physischen Kontakt vermutete ich zuerst, Vaughan wollte mich beruhigen. Er hob die Hand an meinen Mund und zeigte mir den deformierten Silberwürfel, den er hielt. Ich wickelte die Alufolie auf und legte den Würfelzucker auf meine Zunge.
    Wir verließen den Flughafen durch den Tunnel einer Unterführung, überquerten die Western Avenue und fuhren die Aufwärtsrampe der Überführung hinauf Zwanzig Minuten folgte ich der Autobahn nach Northolt, wobei ich den Wagen auf der mittleren Spur hielt und den schnelleren Verkehr rechts und links an uns vorüberfahren ließ. Vaughan hatte sich zurückgelehnt und preßte die rechte Wange gegen das kühle Polster, die Arme ließ er schlaff herabhängen. Hin und wieder zuckten Arme oder Beine unkontrolliert. Ich spürte bereits die ersten Wirkungen des Acid. Meine Handflächen fühlten sich kühl und sanft an, gleic h würden ihnen Flügel wachsen, die mich in die Luft tragen würden. Ein eisiger Nimbus ballte sich über meinem Schädel zusammen, nicht unähnlich den Wolken, die sich unter dem Dach eines Hangars sammeln können. Ich hatte vor etwa zwei Jahren einen Acid-Trip genommen, was in einem paranoiden Alptraum geendet hatte, im Verlauf dessen ich einem trojanischen Pferd Zugang in meinen Verstand erlaubt hatte. Catherine, die vergeblich versucht hatte, mich zu beruhigen, war mir im Geiste wie ein bösartiger Vogel erschienen. Ich konnte fühlen, wie mein Gehirn durch das Loch, das sie mir in den Schädel gepickt hatte, auf das Kissen floß. Ich erinnere mich daran, daß ich mich weinend an sie klammerte und sie wie ein Kind bat, mich nicht zu verlassen, während mein Körper zu einer nackten Membran zusammenschrumpfte.
    Dagegen fühlte ich mich in Vaughans Gegenwart sicher und behaglich, fühlte mich zuversichtlich und seiner Hingabe an meine Person sicher. Ich fuhr eine Schnellstraße entlang, die er speziell für mich erschaffen hatte. Die anderen Autos rings um uns her waren nur durch einen gewaltigen Akt der Freundlichkeit seinerseits präsent. Gleichzeitig aber war ich sicher, daß alles um mich, die zunehmende Ausdehnung des LSD in meinem Körper, nur Teil einer ironischen Absicht Vaughans war, als wäre die Freude, die meinen Verstand erfüllte, etwas zwischen Feindseligkeit und Hingabe, Gefühle, die mittlerweile ununterscheidbar geworden waren.
    Wir fädelten uns in den westlichen Arm der North Circular Road ein. Während wir im Zentrum des Kreisverkehrs fuhren, lenkte ich den Wagen auf die langsame Spur und beschleunigte erst wieder, als wir ins offene Deck der Schnellstraße hineinfuhren und der Verkehr an uns vorüberbrauste. Überall hatten sich die Perspektiven verändert. Die Betonwälle der Zufahrtsstraßen rasten wie schimmernde Klippen über uns auf. Die Fahrbahnmarkierungen verwandelten sich in weiße Schlangen, die sich unter den Reifen der Autos wanden, die auf ihren Rücken dahinfuhren, als wären sie entzückte Delphine. Die Richtungsschilder über uns ragten wie freigiebige Jagdflieger über uns empor. Ich preßte die Handflächen gegen das Lenkrad und stieß mit dem Wagen durch die goldene Luft. Zwei Flughafenbusse und ein Lastwagen überholten uns, ihre Reifen wirkten fast bewegungslos, als wären die Fahrzeuge lediglich Bühnenattrappen, die vom
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