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Crash

Crash

Titel: Crash
Autoren: J. G. Ballard
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dem Parkplatz ihres Hotels in eine seitliche Kollision verwickelt worden war. Vaughan kratzte wiederholt an den Narben seiner Knöchel. Die Narben an seinen Knien, die nun über ein Jahr verheilt waren, öffneten sich erneut. Ich konnte die Blutflecke auf dem abgewetzten Stoff seiner Jeans sehen. Rote Flecken erschienen auf der unteren Krümmung des Handschuhfachs, am unteren Rand der Radiokonsole, und schließlich zeichneten sie noch die schwarze Vinylbespannung der Türen. Vaughan ermutigte mich dazu, schneller zu fahren, als es die Zubringer zum Flughafen erlaubten. Wenn ich an Kreuzungen schaff bremsen mußte, ließ er sich vorsätzlich nach vorne gegen das Armaturenbrett gleiten. Sein Blut mischte sich mit dem ge trockneten Samen auf den Sitzen und überzog auch meine Hände, mit denen ich das Lenkrad bediente, mit einem Fleckenmuster. Sein Gesicht war weißer, als ich es jemals gesehen hatte, und er bewegte sich mit nervösen Gesten im Wageninneren, wodurch er an ein Tier erinnerte, das sich unwohl fühlte. Diese Überreiztheit erinnerte mich an meine Erholung von einem schlechten Acid-Trip, den ich vor einigen Jahren gehabt hatte. Ich hatte mich noch Monate danach gefühlt, als hätte sich die Hölle geöffnet und ihre Ausgeburten in meinen Kopf entlassen - als wären die Membranen meines Verstandes bei einem entsetzlichen Unfall bloßgele gt worden.

    Kapitel Einundzwanzig

    Mein letztes Zusammentreffen mit Vaughan - der Höhepunkt einer langen Strafexpedition in mein Nervensystem - fand eine Woche später im Zwischenstock des Oceanic Terminal statt. Im Rückblick erscheint es ironisch, daß ausgerechnet dieses Haus aus Glas der Flüge und ungeahnten Möglichkeiten zum Scheidepunkt unserer Leben und Tode werden sollte. Als er zwischen den chromglänzenden Möbeln, die sein Spiegelbild zusätzlich zu den Glaswänden multiplizierten, auf mich zukam, sah er unsicher und linkisch wie selten aus. Das pockennarbige Gesicht und sein zögernder Gang durch die Flugpassagiere verliehen ihm das Aussehen eines erfolglosen Fanatikers, der seine überlebte Besessenheit nur noch mit Mühe zusammenhalten kann.
    Als ich aufstand und ihn begrüßte, stand er an der Bar neben mir und machte sich kaum die Mühe, mich zu erkennen, so, als wäre ich nur ein unvertrauter und verschwom mener Fleck. Seine Hände glitten über die Bar und suchten nach einer Kontrollfläche, frisches Blut auf seinen Knöcheln brach das Licht. Während der vergangenen sechs Tage hatte ich ruhelos im Büro und in unserer Wohnung gewartet und durch die Fenster die Straßen beobachtete, um jedesmal mit dem Fahrstuhl hinabzueilen, wenn ich mir eingebildet hatte, seinen Wagen vorbeibrausen zu sehen. Ich studierte die Klatschspalten von Filmmagazinen und Zeitungen und versuchte herauszufinden, welchen Prominenten Vaughan derzeit folgen könnte, während er einzelne Elemente eines imaginären Unfalls in seinem Kopf zusammensetzte. Alle Erfahrungen unserer gemeinsamen Wochen hatten mich in einen Zustand erhöhter Gewalttätigkeit zurückgelassen, den nur Vaughan wieder beenden konnte. Wenn ich Verkehr mit Catherine hatte, dann sah ich mich in meiner Phantasie bei einem Akt der Sodomie mit Vaughan, als könnte nur durch ein solcher Akt der Kode einer brutalen Technologie gelöst werden.
    Vaughan wartete, während ich ihm einen Drink bestellte, und betrachtete über das Landefeld einen Luftfrachter, der über dem westlichen Grenzzaun emporstieg. Er hatte mich am Morgen mit kaum kenntlicher Stimme angerufen und den Vorschlag gemacht, daß wir uns am Flughafen treffen sollten. Der Gedanke an dieses Wiedersehen, die Umrisse seiner Gesäßbacken und Schenkel in den abgetragenen Jeans und seinen narbigen Mund, die ich streicheln wollte, erfüllte mich mit einer harten erotischen Freude.
    »Vaughan…« Ich versuchte, ihm den Cocktail in die Hand zu zwingen. Er nickte widerspruchslos. »Trinken Sie das. Möchten Sie frühstücken?«
    Vaughan machte sich nicht die Mühe, den Cocktail anzurühren. Er starrte mich mit unsicheren Augen an, wobei er wie ein Richtschütze wirkte, Entfernung zum Ziel berechne te. Er griff nach einer Wasserkaraffe, die er zwischen den Händen hielt. Nachdem er ein schmutziges Glas auf der Theke gefüllt und hastig getrunken hatte, wurde mir klar, daß er sich auf dem Höhepunkt eines Acid-Trips befinden mußte. Er drückte und entspannte seine Handflächen und wischte sich mit den Fingerspitzen den Mund ab. Ich wartete, während er diese
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