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Count Down

Count Down

Titel: Count Down
Autoren: Matthias Goosen
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bestimmt kommt sie besser klar, ohne mich, der sie jahrelang betrogen hat.
      „Schande über mich“, hat sie gesagt, aber nicht, weil ich sie mit einer guten Freundin betrogen hatte oder mit einer Hure. Mit einem Mann habe ich die letzten Jahre die schönsten Stunden meines Lebens verbracht. Durch Zufall – wie immer im Leben – habe ich ihn auf einem Fest kennengelernt. Es war ein Militärfest. Steven, der jetzt neben mir schläft, tief einatmet und meine Hand hält, weil er sie für längere Zeit nicht mehr halten wird können, ist tottraurig, dass ich für ein paar Monate fort muss. „Die Zeit wird wie im Flug vergehen“, habe ich ihm gesagt, aber er will davon nichts hören.
      Gemeinsam haben wir uns Ringe gekauft, zwei Silberringe, die wir nun tragen. Wir sind inoffiziell verlobt. Steve möchte das Militär verlassen und sich ein anderen Job suchen. Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, aber sie ist noch immerhin besser, als ein Gerücht über Homosexualität auf dem Geländer aufkeimen zu lassen.
      Schwul zu sein, ist eigentlich – auch für mich und ich denke auch für Steve – keine große Sache. Ich halte lieber eine Männerhand und küsse lieber einen Männermund als den einer Frau. Eigentlich keine großartig interessante Sache. Ich habe nie verstanden, warum sich die Welt an so etwas Lächerlichem daran stört, dass Kirchen aufschreien, Kulturen zerstört werden und junge Menschen öffentlich gedemütigt werden.
      Ist das wirklich ein Planet, auf den Menschen wohnen, die glauben gut zu sein? Bald werde ich die Erde sprichwörtlich von oben sehen können. Ich frage mich ob mein Anblick ein anderer ist, als der Anblick meiner Kollegen. Wahrscheinlich nicht, aber ich denke es mir trotzdem. Weil ich weiß, dass viele Menschen auf dieser Welt anders über mich denken würden, würden sie mein Geheimnis wissen.
      Jetzt liege ich wach und denke nach, weil ich nachdenken muss, und Steve hält meine Hand und ich halte seine Hand. Wir halten uns und wir werden zusammenhalten, nachdem ich von meiner Reise zum All – wie sich das anhört, wie aus einem Buch von Jules Verne – zurückkomme.
      Ich werde auch Zeit haben, um nachzudenken, was ich mit meiner Tochter machen werde. Bonnie, meine Frau, hat mir gesagt, dass sie sie mir wegnehmen möchte. Das hat mich sehr verletzt, weil ich meine Tochter Isabella sehr liebe. Ja, ich war einmal hetero. Ich meine, ich war nie hetero, aber ich habe es mir jahrelang eingeredet und als meine Gefühle für Steve wirklich wurden, als ich mir wirklich sicher war, dass ich diesen Mann, diesen jungen Mann an meiner Seite liebe und mit ihm zusammen sein will, da habe ich es meiner Frau gesagt.
      „Geahnt habe ich es schon immer“, hat sie heroisch zu mir gesagt, mit erhobenem Zeigefinger. „Aber ich bin nicht schuld daran“, hat sie auch gesagt. Ich weiß gar nicht, wie sie darauf kommt, dass ich ihr die Schuld für meine Homosexualität gebe? Ein Frauending wahrscheinlich, das wir Männer nie verstehen werden.
     
    Ich vermisse Isabella, dieses kluge Mädchen, meine Tochter, die im Schach fast schon besser geworden ist als ich. Ihre Züge werden immer taktischer und sie wird immer mutiger, was ich sehr gut heiße. Ich denke, wenn Bonnie mir keinen Strich durch die Rechnung jagt, ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihr aufbauen kann. Sie ist ein liebes Mädchen, sie wird verstehen, was es heißt: zu lieben. Ja, ganz bestimmt. Und sie wird verstehen, dass ich ihre Mutter geliebt habe und sie aus Liebe gezeugt worden ist. Na ja, vielleicht denkt sie nicht an die Zeugung, wenn sie an ihre Wurzeln und Ursprünge denkt, aber sie soll wissen, dass ich ihre Mutter felsenfest geliebt habe, als ich sie schwängerte. Mein Morgenstern, mein Abendstern, mein Ein und Alles. Sie ist das süßeste Mädchen, das ich kenne. Vielleicht werden wir irgendwann einmal vereint sein, als Vater-Tochter-Gespannt, wäre witzig.
     
    Ich habe alles gelernt, was notwendig ist. Oh Gott. Ich habe furchtbare Angst. Ich habe Angst, dass morgen etwas schiefgehen könnte, ich habe Angst, das Bonnie ihre Drohungen mir unsere Tochter vorzuenthalten wahrwerden lässt und ich habe Angst Steve zu verlieren. Ich muss ihn umarmen.
      Steve ist kurz aufgewacht und hat gefragt, was los ist und ich habe ihm gesagt, dass ich ihn umarmen musste, weil ich ihn liebe. Er hat mich angelächelt, zumindest glaube ich ein Lächeln im Dunkeln gesehen zu haben. Dann hat er seinen Kopf auf meine Brust
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