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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11
Autoren: Guillou
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Wenn man selbst einen oder zwei Reaktoren an Bord hatte, hörte man zunächst einmal diese, wenn man hinaus in die schwarze Stille lauschte.
    Im Nachhinein könnte man vielleicht meinen, die Amerikaner hätten unter diesen Umständen etwas vorsichtiger sein und anhalten sollen, um wenigstens einen Zusammenstoß zu verhindern.
    Man wird nie erfahren, was die Amerikaner gedacht haben. Zumindest nicht in den nächsten fünfzig Jahren, solange die Berichte unter Verschluss sind. Aber in Anbetracht der historisch gewachsenen Rivalität zwischen den amerikanischen U-Boot-Besatzungen und der russischen, dem Katz-und-Maus-Spiel unter Feinden, kann man sich leicht vorstellen, dass die amerikanischen Befehlshaber nun einen härteren Ton anschlugen: Diese Schweine brauchen nicht zu glauben, dass sie uns so leicht an der Nase herumführen können, wir müssen diese verdammten Ratten kriegen, asap (»as soon as possible«) und so weiter. Die beiden amerikanischen U-Boote leiteten heftige Ma­növer ein, um wieder Kontakt zu der auf geheimnisvolle und peinliche Weise verschwundenen Kursk herzustellen.
    Der Kommandant auf der USS Toledo wählte eine Variante der russischen Taktik, die in der amerikanischen U-Boot-Spra­che Crazy Iwan genannt wurde. Er machte eine 180-Grad-Wende, um die Suche in der entgegengesetzten Richtung fortzusetzen.
    Unglücklicherweise ging seine Rechnung auf. Die Kursk hatte ihre beiden Verfolger hinters Licht geführt, indem sie einfach ihre Tiefe verändert hatte und nahezu zum Stillstand gekommen war. Die USS Memphis auf ihren Fersen war daher über die Kursk hinweggeglitten – man muss sich das zufriedene, aber stille russische Lachen vorstellen, als sie merkten, dass ihr Trick funktioniert hatte –, und auch die USS Toledo hatte sich weit von der Kursk entfernt, mit der sie sich eigentlich Seite an Seite glaubte.
    Doch nun hatte also die USS Toledo auf eine 180-Grad-Wende gesetzt und fuhr somit direkt auf die Kursk zu.
    Als auf beiden U-Booten Alarmsignale die bevorstehende Kollision ankündigten, war es bereits zu spät. Die Katastrophe war unausweichlich.
    Der Größenunterschied zwischen den beiden Fahrzeugen war beträchtlich, »so groß wie zwischen einem Schleppkahn und einem Atlantikdampfer«, äußerte sich ein russischer Admiral. Die USS Toledo wurde bei dem Zusammenprall erheblich beschädigt und konnte sich nur unter äußersten Schwierigkeiten und mit Unterstützung der amerikanischen Flotte nach Hause schleppen, nachdem sie wieder die Sicherheit internationaler Gewässer erreicht hatte. Allerdings hatte man eine Notboje hinterlassen; vermutlich war sie bei dem Zusammenstoß automatisch ausgelöst worden.
    Durch den wahnsinnigen Lärm, den die Kollision der beiden U-Boote verursachte, konnte die Besatzung der USS Memphis die exakte Position der Kursk ermitteln, welche zudem ihre Geschwindigkeit erhöht hatte und somit nicht mehr zu überhören war.
    Wie der Kommandant auf der USS Memphis nun reagierte und agierte, ist möglicherweise vor einem geheimen amerikanischen Kriegsgericht verhandelt worden. Bekannt ist, dass er einen Torpedo vom Typ Mark 48 direkt in den Rumpf der Kursk feuerte. Man möchte annehmen, dass er einen vernünftigen Grund dafür hatte, und die gängigste Theorie hierzu, um nicht zu sagen die einzige, besagt, er habe gehört – oder zu hören geglaubt –, wie die Kursk eine Torpedoluke für den Schkwal geöffnet und sich zum tödlichen Abschuss bereit gemacht habe.
    Nur aus diesem Grund soll der amerikanische Kommandant seinen Torpedo abgefeuert haben. Die Logik dahinter war amerikanisch simpel: Er hat zuerst gezogen, aber ich habe schneller geschossen.
    Die Wirkung auf die Kursk schien anfänglich bedrückend gering. Sie erhöhte die Geschwindigkeit, als wolle sie das Feld räumen. Doch nach zwei Minuten und fünfzehn Sekunden explodierte ein Großteil der Waffenladung im vorderen Torpedoraum, und das U-Boot sank auf den Grund.
    Die USS Memphis entfernte sich langsam und ging auf eine Tiefe, von der aus sie kodierte Signale an die Heimatbasis senden konnte. Welche Befehle zurückkamen, ist nicht bekannt.
    Dagegen weiß man, dass die USS Memphis anschließend gemächlich und gut sichtbar Norwegens Küste umrundete und Kurs auf Bergen nahm. Man legte eine Strecke, die normalerweise in zwei Tagen zu schaffen war, in sieben Tagen zurück. Das Manöver erinnerte an bestimmte Vögel, die eine Verletzung vorgaukelten, um von ihren wehrlosen Jungen abzulenken. In diesem
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