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Cook, Robin

Titel: Cook, Robin
Autoren: Schock
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Reaktion erfolgte, drückte sie die Tür ganz auf. Vor ihnen lag Wingates Küche.
    »Ich höre klassische Musik«, stellte Joanna fest.
    »Ich auch«, bestätigte Deborah.
    Vorsichtig schlichen sie durch die dunkle Küche. Das Licht, das sie durch den Schlitz der Kellertür gesehen hatten, kam von dem Kronleuchter im Esszimmer. Sie traten auf den Flur und steuerten so leise sie konnten das Wohnzimmer an, aus dem die Musik kam. Vor sich sahen sie im Foyer, dass die Gruppe von Zinnsoldaten, die Wingate am Abend zuvor im Suff von dem Beistelltischchen gefegt hatte, sorgfältig wieder aufgestellt worden war.
    Deborah schlich voran, Joanna war ihr direkt auf den Fersen. Sie wollten ins Wohnzimmer, das links vom Flur abging und in dem sie Wingate vermuteten. Als sie einen weiteren dunklen Flur kreuzten, der ins Arbeitszimmer führte, blickte Joanna zufällig nach rechts. An der gegenüberliegenden Wand sah sie Wingate an seinem Schreibtisch sitzen. Vor ihm brannte eine Leselampe, und er studierte irgendwelche Pläne. Zum Glück hatte er ihnen den Rücken zugewandt.
    Joanna tippte Deborah auf die Schulter und zeigte, als sie sich umsah, panisch in Richtung Arbeitszimmer auf die vornübergebeugte Silhouette von Spencer Wingate.
    Deborah sah Joanna an und formte mit den Lippen stumm die Frage: »Was sollen wir tun?«
    Joanna zuckte mit den Schultern. Sie hatte keine Ahnung, doch nach kurzem Überlegen kam sie zu dem Schluss, dass es wohl am besten war, wenn sie ihn einfach bei seinem Namen riefen. Sie berührte erst ihren Mund und zeigte dann auf Spencer.
    Deborah verstand und nickte. Dann räusperte sie sich und rief: »Dr. Wingate!« Doch ihre Stimme klang etwas zaghaft und wurde von Beethovens Neunter Symphonie übertönt, die aus dem Wohnzimmer herüberschallte.
    »Dr. Wingate!«, wiederholte Joanna deutlich entschiedener und laut genug, um die Musik zu übertönen.
    Spencer richtete sich auf und drehte sich blitzartig um. Für einen kurzen Moment wich die Farbe aus seinem sonnengebräunten Gesicht, und er stand so überstürzt auf, dass sein Stuhl laut krachend umfiel.
    »Wir wollten Sie nicht erschrecken!«, rief Deborah schnell. »Wir wollen nur kurz mit Ihnen sprechen!«
    Spencer fing sich sofort wieder und lächelte erleichtert, als er den überraschenden Besuch erkannte. Er winkte Deborah und Joanna zu und bedeutete ihnen, zu ihm zu kommen. Dann bückte er sich und richtete den umgefallenen Stuhl wieder auf.
    Während Deborah und Joanna auf das Zimmer zugingen, versuchten sie genau zu ergründen, wie er auf ihre Anwesenheit reagierte. Bisher schien seine Reaktion durchaus vielversprechend. Sein anfänglicher Schreck war inzwischen in Überraschung umgeschlagen, und zu ihrer Beruhigung schien er sogar erfreut, sie zu sehen. Er strich sein silbergraues Haar zurück und zog sich sein samtenes Smokingjackett zurecht, doch als er sie im Licht sah, wechselte sein Gesichtsausdruck abrupt, und er sah sie völlig verdutzt an.
    »Was ist denn mit Ihnen passiert?«, fragte er entgeistert und fuhr, ohne auf eine Antwort zu warten, fort: »Und wie sind Sie überhaupt hier reingekommen?«
    Sie fingen beide gleichzeitig an zu sprechen. Während Joanna ihm erklärte, dass sie durch den Keller gekommen waren, setzte Deborah zu einer geballten Zusammenfassung des gesamten Abends an.
    Spencer hob die Hände und brachte sie zum Schweigen. »So verstehe ich gar nichts. Eine nach der anderen. Aber zuerst will ich wissen: Braucht eine von Ihnen irgendetwas? Sie sehen furchtbar aus.«
    Zum ersten Mal seit Beginn ihres Martyriums sahen Deborah und Joanna an sich herab. Dann musterten sie einander. Jetzt erst wurde ihnen bewusst, wie zerlumpt sie aussahen. Sie schämten sich für ihren Aufzug und sahen Spencer verlegen an. In ihrem völlig zerfetzten Minikleid und mit den Schürfwunden an Oberschenkeln und Schienbeinen, die sie sich bei ihrem Hechtsprung in die eiserne Lunge zugezogen hatte, sah Deborah noch schlimmer aus als Joanna. Einer ihrer Ohrringe war verloren gegangen, und ihre Kette mit dem Herzanhänger hatte keinen einzigen Stein mehr. Ihre Hände trieften von dem schwarzen Schmierfett des Tragseils im Fahrstuhlschacht, und ihre Frisur war ein einziges wüstes Durcheinander.
    Joanna hatte noch den Arztkittel an, der ihre übrige Kleidung vor dem Schlimmsten bewahrt hatte, doch der Kittel selbst war über und über mit Schmutzflecken übersät, die vor allem von ihrer Kriecherei auf dem Stallboden herrührten. Aus den Jackentaschen
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