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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
Autoren: Nicolas Remin
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dieser Commissario
Tron, Sohn der Contessa Tron, schien nicht gerade der Hellste zu
sein. Von ihm war nichts zu befürchten. Wenn man davon
ausging, überlegte er weiter, dass ungefähr die
Hälfte der Anwesenden cavalleri sein würden,
blieben fünfzig Personen übrig, unter denen der Mann sein
musste, den er suchte. Würde er sich in irgendein exotisches
Kostüm werfen? Nein — auch das war äußerst
unwahrscheinlich. Vermutlich würde der Bursche einen
schlichten Frack tragen, selbstverständlich mit einer bautta, denn das war an diesem
Abend Vorschrift. Aber er würde ihn trotz der Maske erkennen.
Und dann ...
    Er löste den
Blick von seinem Spiegelbild, stand auf und ging langsam zu seinem
Kleiderschrank. Dort hing das Kleid, das er sich heute Nachmittag
aus einem Kostümverleih besorgt hatte. Ausgiebig beraten von
einem jungen Ladenschwengel, war seine Wahl schließlich auf
ein schlichtes Ballkleid aus schwarzem Atlas mit gepufften, fast
bis zum Ellbogen reichenden Ärmein gefallen. Dazu würde
er lange, den ganzen Unterarm bedeckende Handschuhe tragen. Die
Haare zwischen Puffärmeln und Handschuhen hatte er
sorgfältig wegrasiert. Seine Handtasche — ebenfalls
ausgeliehen — war aus schwarzem, mit Goldapplikationen
verziertem Maroquinleder. Dass es sich dabei um ein etwas
größeres Exemplar handelte, würde niemandem
auffallen. Aber in einer zierlichen Balltasche hätte er das
Stilett nicht unterbringen können.
    Natürlich war
das, was ihm auf dem Ponte della Paglia eingefallen war, nicht
besonders originell. Er selbst wäre der Erste gewesen, es
zuzugeben. Allenfalls konnte man sagen, dass eine gewisse
Originalität des Planes in seiner Unwahrscheinlichkeit lag. Niemand,
der seine Sinne beisammen hatte, würde auch nur ernsthaft
daran denken, ein solches Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und wer
immer ihn — eine Frau — dabei beobachtete,
würde seinen Augen nicht trauen und die Sache zunächst
für einen Faschingsscherz halten.
    Ein schneller, aus dem
Unterarm heraus geführter Stich also. Problematisch konnte es
allenfalls werden, wenn der Stoß nicht das Herz, sondern eine
Rippe traf. Doch auch dann würde es ein, zwei Sekunden dauern,
bis die Nervenbahnen den Schmerz an das Gehirn weitergeleitet
hatten — genug Zeit, um im Gedränge zu verschwinden.
Direkt ins Herz getroffen, würde der Bursche zusammensacken,
ohne viel zu spüren. Eigentlich — vielleicht noch mit
einem Champagnerglas in der Hand — nicht die schlechteste Art
zu sterben. Notfalls, dachte er, würde auch ein Stich in den
Bauch reichen. Dann trat der Tod durch Verbluten ein. Auch hier kam
der Schmerz, vorausgesetzt, die Waffe war scharf genug, immer erst
ein paar Sekunden später. Da war er schon ein paar Meter
weiter, und selbstverständlich würde sich die Suche auf
einen Mann konzentrieren.
    Er nahm das Kleid vom
Bügel, legte es auf das Bett, setzte sich daneben und zog die
Strümpfe an. Dann schlüpfte er in das Kleid und schloss
die Knöpfe. Die schwarze, etwas klobig wirkende Handtasche und
die über das Kleid geworfene Contouche, die er an der
Garderobe abgeben würde, vervollständigten seine
Ausstattung. Vor den Spiegel tretend fand er, dass er deutlich
älter aussah, als er erwartet hatte. Er stieß einen
resignierten Seufzer aus. Es war töricht gewesen zu glauben,
dass ihm eine blonde Perücke und ein wenig Schminke die
verflossenen Jahre zurückgeben konnten. Andererseits, dachte
er, verlieh ihm das höhere Alter einen Einschlag ins
Harmlos-Matronenhafte.
    Eine Signora, die auf
dem Ball eine ihrer Töchter unter die Haube bringen wollte,
mochte so aussehen.
    «Elisabetta,
mach dich interessant», rief er mit hoher, verstellter
Stimme in den Spiegel. Darüber musste er laut lachen. Nein
— so gesehen war sein Außeres perfekt. Eine bessere
Tarnung war nicht denkbar.
    Allerdings war noch
eine kleine Angelegenheit zu erledigen, bevor er die Gondel
besteigen konnte. Er hatte immer noch keine Einladung für den
Maskenball im Palazzo Tron, und ohne diese würde man ihn
bereits am Wassertor abweisen. Er bückte sich — was
problemlos ging, denn er hatte ein Kleid ausgeliehen, in dem er
sich frei bewegen konnte — und zog den flachen Koffer hervor,
den er unter seinem Bett aufbewahrte. Er enthielt zwei Lederriemen,
ein halbes Dutzend scharfe Messer und den Totschläger, den er
kürzlich erworben hatte. Nach kurzer Überlegung entschied
er sich für den Totschläger. Wenn er mit ein wenig
Gefühl zuschlug, würde der Comte
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