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Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers

Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers

Titel: Commissario Montalbano 10 - Die schwarze Seele des Sommers
Autoren: Andrea Camilleri
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lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Warum läufst du weg?«
    War jetzt der Augenblick für ein ernstes Gespräch gekommen? Vielleicht war es ja am besten, die Sache direkt in Angriff zu nehmen.
    »Adriana, glaub mir, ich habe nicht die geringste Lust wegzulaufen. Du gefällst mir so sehr, wie ich es nur selten erlebt habe. Aber ist dir klar, dass uns dreiunddreißig Jahre trennen?«
    »Ich will dich ja nicht heiraten.«
    »Mag sein, aber das ändert nichts daran. Ich werde allmählich zu einer Art Antiquität, und es scheint mir einfach nicht angemessen, dass… Einer im richtigen Alter dagegen … «
    »Und was wäre dann das richtige Alter? Einer von fünfundzwanzig? Einer von dreißig? Hast du dir die mal angesehen? Hast du mal gehört, wie die reden? Weißt du, wie die sich benehmen? Die haben doch keine Ahnung von Frauen!«
    »Schau, für dich bin ich eine vorübergehende Affäre, aber du wärst für mich etwas völlig anderes. In meinem Alter…«
    »Jetzt hör auf mit dieser Geschichte vom Alter. Und du brauchst auch nicht zu denken, dass ich Lust auf dich habe wie auf ein Eis. Apropos, hast du welches da?«
    »Eis? Ja.«
    Er holte es aus dem Tiefkühler, konnte es aber nicht durchschneiden, weil es so hart war. Er brachte es auf die Veranda.
    »Vanille und Schokolade. Magst du das?«, fragte Montalbano und setzte sich hin wie vorher. Und wie vorher hakte sie sich bei ihm ein und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
    Es dauerte nur fünf Minuten, bis man das Eis essen konnte. Adriana aß es still und verharrte weiter in derselben Haltung.
    Dann, als Montalbano ihren leeren Teller abräumen wollte, merkte er, dass Adriana weinte. Er fühlte, wie sein Herz sich zusammenzog. Er versuchte, ihren Kopf von seiner Schulter zu lösen, um ihr ins Gesicht sehen zu können, doch sie ließ es nicht zu.
    »Es gibt noch etwas, das du bedenken musst, Adriana. Ich bin seit Jahren mit einer Frau zusammen, die ich liebe. Und ich habe immer nach Kräften versucht, Livia treu zu bleiben, die…«
    »… unerreichbar ist«, sagte Adriana. Nun hob sie den Kopf und sah ihm in die Augen.
    So musste es mit den belagerten Burgen in den Kriegen von anno dazumal gewesen sein. Die Männer widerstanden dem Hunger, dem Durst, sie schlugen die, die die Mauern erkletterten, mit siedendem Öl zurück und schienen uneinnehmbar zu sein. Dann aber sorgte ein einziger, genau gezielter Schuss mit dem Katapult dafür, dass das Eisentor plötzlich zusammenbrach und die Belagerer eindringen konnten, ohne auf weiteren Widerstand zu stoßen.
    Unerreichbar, das war das Schlüsselwort, das Adriana gebraucht hatte. Was hatte die Kleine nur aus diesem Wort herausgehört, als er es ausgesprochen hatte? Seine Wut? Seine Eifersucht? Seine Schwachheit? Seine Einsamkeit? Montalbano umarmte und küsste sie. Ihre Lippen schmeckten nach Vanille und Schokolade.
    Und es war, als würde er in der Gluthitze des Monats August versinken. Dann sagte Adriana: »Lass uns reingehen.«
    Sie standen umschlungen auf, und in diesem Augenblick klingelte jemand an der Haustür. »Wer kann das sein?«, fragte Adriana. »Das ist… Das ist Fazio. Ich hatte ihm gesagt, er soll vorbeikommen. Das hab ich völlig vergessen.« Wortlos schloss Adriana sich im Badezimmer ein.
    Kaum war Fazio auf der Veranda und sah die beiden Gläser und die beiden eisverschmierten Teller, fragte er: »Ist noch jemand da?«
    »Ja, Adriana.«
    »Ach. Und jetzt geht sie?«
    »Nein.«
    »Ah.«
    »Magst du ein Glas Wein?«
    »Nein, danke.«
    »Ein bisschen Eis?«
    »Nein, danke.«
    Die Anwesenheit der jungen Frau irritierte ihn, so viel stand fest.

Neunzehn
    Seit beinahe einer Stunde saßen sie auf der Veranda. Doch die tiefe Nacht brachte keine Kühlung. Im Gegenteil, es war, als ob die Hitze immer hundstägiger würde und am Himmel statt einer Mondsichel die Sonne im Zenit stände.
    Montalbano hatte gerade zu Ende geredet und sah Fazio nun fragend an. »Was sagst du dazu?«
    »Sie wollen Spitaleri also ins Kommissariat einbestellen, ihn einem Verhör von der Art unterziehen, die einen Tag und eine Nacht dauern, und wenn er dann weichgekocht ist, soll plötzlich Signorina Adriana vor seinen Augen auftauchen, die er nie zuvor gesehen hat. Ist das so?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Und Sie denken, dass dieser Kerl, wenn er sich der Zwillingsschwester des Mädchens gegenübersieht, das er ermordet hat, auf der Stelle zusammenbricht und gesteht?«
    »Zumindest hoffe ich das.« Fazio verzog den Mund. »Das
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