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Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Titel: Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
Autoren: Andrea Camilleri
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Schlafzimmer mit Ehebett, ein Badezimmer, ein weiteres Schlafzimmer. Rechter Hand ein Arbeitszimmer, eine Küche, eine Toilette, ein kleines Wohnzimmer. Alles in vollkommener Ordnung, sauber und spiegelblank. »Hat Ihr Bruder eine Putzfrau?«
    »Ja.«
    »Wann war sie zum letzten Mal hier?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Sagen Sie, Signorina, kommen Sie häufig hierher und besuchen Ihren Bruder?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    Die Frage brachte Michela in Verlegenheit. »Was heißt hier warum? Er … ist doch mein Bruder!«
    »Einverstanden, aber Sie haben gesagt, dass Angelo fast täglich bei Ihnen und Ihrer Mutter vorbeischaut. Und wenn nicht, dann gehen Sie ihn am anderen Tag hier besuchen. Ist das so?«
    »Na ja, schon. Aber nicht mit dieser Regelmäßigkeit.«
    »In Ordnung. Aber warum müssen Sie sich treffen, ohne dass Ihre Mutter anwesend ist?«
    »Ach, du meine Güte, Commissario, so wie Sie das sagen … Das ist doch nur eine alte Gewohnheit seit Kindertagen … Zwischen Angelo und mir hat immer eine Art von …«
    »Komplizenschaft bestanden?«
    »Na ja, so könnte man es wohl nennen.«
    Und sie kicherte ein bisschen. Montalbano beschloss, das Thema zu wechseln.
    »Wollen Sie nachschauen, ob ein Koffer fehlt? Ob alle seine Anzüge da sind?«
    Er folgte ihr ins Schlafzimmer mit dem Ehebett. Michela öffnete den Kleiderschrank und sah die Anzüge einzeln durch. Montalbano fiel auf, dass sie maßgeschneidert waren, fein und teuer.
    »Es ist alles da. Auch der graue, den er anhatte, als er zuletzt bei uns war, vor drei Tagen. Ich glaube, es fehlt lediglich eine Jeans.«
    Auf dem Kleiderschrank befanden sich, eingehüllt in Cellophan, zwei elegante Lederkoffer, ein großer und ein etwas kleinerer. »Die Koffer sind hier.«
    »Hat er ein Übernachtungsköfferchen?«
    »Ja, normalerweise bewahrt er das im Arbeitszimmer auf.« Sie gingen ins Arbeitszimmer. Das Köfferchen stand neben dem Schreibtisch. Eine Wand des Zimmers war von einem Regal verdeckt, wie man es in Apotheken findet, verschlossen mit einer durchsichtigen Schiebeglastür. Und in dem Regal befand sich in der Tat eine Vielzahl von Medikamentenverpackungen, von Schachteln, Schächtelchen und Fläschchen.
    »Hatten Sie mir nicht gesagt, Ihr Bruder sei Informant?«
    »Genau. Er ist medizinisch-wissenschaftlicher Informant.« Und Montalbano verstand. Angelo war das, was man früher als Arzneimittelvertreter bezeichnet hatte. Doch sein Beruf war geadelt worden, indem man ihn nun mit einem anderen Namen belegte und damit der Eleganz der Zeit anglich, so wie die Straßenkehrer zu Ökotechnikern und die Haushaltshilfen zu haushaltstechnischen Mitarbeiterinnen avanciert waren. Die Substanz allerdings blieb unverändert.
    »Er war… Er ist Arzt, aber er hat nur kurze Zeit praktiziert«, fühlte Michela sich verpflichtet hinzuzufügen.
    »Gut. Wie Sie sehen, Signorina, ist Ihr Bruder nicht hier. Wenn Sie also wollen, können wir wieder gehen.«
    »Dann gehen wir.«
    Sie sagte es widerwillig und blickte sich dabei um, als rechnete sie damit, im letzten Augenblick noch zu entdecken, dass ihr Bruder sich in einer Schachtel mit Pillen gegen Leberschäden versteckt hatte.
    Diesmal ging Montalbano ihr voraus und wartete, dass sie sorgfältig das Licht ausmachte und die Tür mit beiden Schlüsseln abschloss. Sie gingen schweigend die Treppe in der tiefen Stille dieses Hauses hinunter. Aber war es nun leer oder waren alle tot? Kaum waren sie draußen, wurde Montalbano, als er Michela so ungetröstet vor sich stehen sah, von einem starken Mitgefühl bewegt. »Sie werden schon sehen, Ihr Bruder wird sich sehr bald melden«, sagte er leise und reichte ihr die Hand. Michela ergriff sie nicht und schüttelte noch untröstlicher ihren Kopf.
    »Hören Sie … Ihr Bruder… Trifft er sich mit… Hat er eine Beziehung?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    Sie sah ihn an. Und während sie ihn ansah und Montalbano verzweifelt mit den Armen ruderte, um nicht zu ertrinken, wurde das Wasser des Sees ganz plötzlich tiefdunkel, fast als hätte sich die Nacht herabgesenkt. »Was ist?«, fragte der Commissario.
    Sie antwortete nicht, riss die Augen weit auf. Und der See verwandelte sich in offenes Meer. Schwimm, Salvo, schwimm.
    »Was ist?«, wiederholte er zwischen einem Schwimmzug und dem nächsten.
    Doch auch dieses Mal antwortete sie nicht. Sie kehrte ihm den Rücken zu, öffnete die Haustür wieder, stieg die Treppe hoch und gelangte zur obersten Etage, ohne dort innezuhalten. Da
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