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Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes

Titel: Commissario Montalbano 09 - Die dunkle Wahrheit des Mondes
Autoren: Andrea Camilleri
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hatte Salvo (junior, natürlich) Durchfall, mal hatte er rote Flecken auf dem Po, dann wieder erbrach er sich, ein anderes Mal wollte er die Milch nicht saugen… Darüber hatte er sich am Telefon bei Livia beklagt.
    »Ach, ja? Und was hast du gegen Mimi? Der ist doch ein liebevoller und verantwortungsbewusster Vater! Ich weiß nicht, ob du an seiner Stelle …« Er hatte aufgelegt.
    Er sah die Morgenpost durch, die Catarella ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Postamt wurde, weil er manchmal zwei Tage hierblieb und nicht nach Hause kam, seine nach Marinella adressierte private Post ins Kommissariat gebracht. Es waren nur offizielle Briefe, und die legte er zur Seite. Er hatte keine Lust, sie zu lesen, und würde sie an Fazio weiterleiten, sobald dieser zurückkäme. Das Telefon klingelte.
    »Dottori, Dottor Latte ist da, mit S am Ende.« Lattes, der Kabinettschef des Polizeipräsidenten. Mit Entsetzen und Staunen hatte Montalbano vor einiger Zeit entdeckt, dass Lattes einen Klon in einem Abgeordnetensprecher hatte, der immer im Fernsehen auftauchte: das gleiche salbungsvolle Gehabe, die gleiche schweinchenrosa Haut wegen des fehlenden Bartes, den gleichen Mund, der aussah wie ein Arschloch, die gleiche schmierige Art - ein vollkommenes Ebenbild. »Lieber Montalbano, wie geht's, wie steht's?«
    »Gut, Dottore.«
    »Und die Familie? Die Kinder? Alle wohlauf?« Er hatte ihm eine Million Mal erklärt, dass er weder verheiratet war noch Kind und Kegel hatte. Aber nichts zu machen. Er war nicht davon abzubringen. »Alle wohlauf.«
    »Der Madonna sei Dank. Hören Sie, Montalbano, der Signor Questore würde Sie gerne heute Nachmittag sprechen, um siebzehn Uhr.«
    Und wieso wollte er ihn sprechen? Signor Bonetti-Alderighi, der Polizeipräsident, wich einer Begegnung mit ihm doch geradezu aus, lieber berief er Mimi zu sich. Es musste sich um eine verdammt lästige Sache handeln. Die Tür flog mit heftigem Schwung auf und schlug gegen die Wand. Er sprang von seinem Stuhl auf. Catarella erschien.
    »Entschuldigen Sie, Dottori, die ist mir aus der Hand geflutscht. Die zehn Minuten sind genau jetzt gerade zu Ende, so wie Sie mir gesagt haben.«
    »Ach, ja? Zehn Minuten sind vergangen? Und was kümmert mich das?«
    »Die Frau, Dottori.« Die hatte er völlig vergessen. »Ist Fazio zurück?«
    »Noch mitnichten, Dottori.«
    »Lass sie hereinkommen.«
    Eine etwa Vierzigjährige, auf den ersten Blick eine Überlebende des Laienordens der Töchter Mariens, niedergeschlagene Augen hinter Brillengläsern, Haare zum Pferdeschwanz gebunden, Hand fest auf der Handtasche, eingesackt in ein weites graues Kleid, das nicht erahnen ließ, was sich darunter befand. Doch die Beine waren, trotz der dicken Strümpfe und flachen Absätze, lang und schön. Sie blieb unentschlossen an der Tür stehen und blickte auf den weißen Marmorstreifen, der die Fußbodenfliesen des Korridors von denen in Montalbanos Büro trennte. »Nur herein. Schließen Sie die Tür und nehmen Sie Platz.« Sie gehorchte und setzte sich auf die äußerste Kante des einen der beiden Stühle, die vor dem Schreibtisch standen.
    »Wie kann ich Ihnen helfen, Signora…«
    «Signorina. Michela Pardo. Und Sie sind Commissario Montalbano, oder?«
    »Kennen wir uns?«
    »Nein, aber ich habe Sie im Fernsehen gesehen.«
    »Was gibt's denn?«
    Sie wirkte noch verlegener als vorher. Sie rückte ihre Pobacken etwas besser auf dem Stuhl zurecht, betrachtete die Spitze eines Schuhs, schluckte zweimal, öffnete den Mund, machte ihn zu und öffnete ihn dann erneut. »Es geht um meinen Bruder Angelo.« Und sie hielt inne, so als müsse es Montalbano genügen zu wissen, dass ihr Bruder Angelo hieß, um dann blitzartig die gesamte Angelegenheit zu erfassen. »Signorina Michela, Sie verstehen sicherlich, dass …«
    »Ja, gewiss. Angelo ist… Er ist verschwunden. Seit zwei Tagen. Verzeihen Sie, ich bin äußerst besorgt und verwirrt und…«
    »Wie alt ist Ihr Bruder?«
    »Zweiundvierzig.«
    »Wohnt er bei Ihnen?«
    »Nein, er hat eine eigene Wohnung. Ich wohne mit Mama zusammen.«
    »Ist Ihr Bruder verheiratet?«
    »Nein.«
    »Hat er eine feste Beziehung?«
    »Nein.«
    »Warum sagen Sie, er sei verschwunden?«
    »Weil kein Tag vergeht, an dem er Mama nicht besuchen kommt. Und wenn er nicht kann, ruft er an. Und wenn er verreisen muss, lässt er uns das wissen. Seit zwei Tagen meldet er sich nicht.«
    »Haben Sie versucht, ihn anzurufen?«
    »Ja, sowohl in
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