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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
Autoren: Andrea Camilleri
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Scheiße, die Sache musste bitter­ernst sein. Was hatte er denn angestellt? Er trat ein, Lattes schloss die Tür hinter ihm, und Montalbano hatte ein Ge­fühl, als ob sich ein Sargdeckel auf ihn herabgesenkt hätte. Der Questore, der stets, wenn er ihn empfing, ein extra Szenenbild arrangierte, hatte diesmal auf Lichteffekte zu­rückgegriffen, die aus einem Schwarzweißfilm von Fritz Lang hätten stammen können. Die Fensterläden waren fest geschlossen, die Leisten bis auf eine heruntergeklappt, und diese ließ nur einen schmalen Sonnenstrahl hindurch, der die Aufgabe hatte, das Zimmer in zwei Teile zu spalten. Ein­zige Lichtquelle war eine niedrige pilzförmige Tischlampe, die die Unterlagen auf dem Schreibtisch des Questore be­leuchtete, sein Gesicht jedoch völlig im Dunkeln ließ. Die ganze Aufmachung sah Montalbano sehr nach einem Ver­hör aus, einem Mittelding zwischen Verhör durch die Inqui­sition und einem, wie es bei der SS seinerzeit beliebt war. »Kommen Sie.«
    Der Commissario trat näher. Vor dem Schreibtisch stan­den zwei Stühle, aber Montalbano setzte sich nicht, der Questore hatte ihn ja auch nicht dazu aufgefordert. Und er begrüßte Bonetti-Alderighi nicht, der ihn seinerseits auch nicht begrüßt hatte. Der Questore las weiter in den Akten, die vor ihm lagen.
    Gut fünf Minuten verstrichen. Und dann beschloss der Commissario, zur Gegenattacke überzugehen; wenn er nicht die Initiative ergriff, ließ Bonetti-Alderighi ihn wo­möglich ein paar Stunden lang licht- wie erklärungsmäßig im Dunkeln stehen. Keine Helligkeit und keine Erklärun­gen. Er fasste in die Jackentasche, holte ein Päckchen Ziga­retten hervor, nahm eine heraus, steckte sie sich zwischen die Lippen, schnippte das Feuerzeug an. Der Questore machte einen Satz auf dem Stuhl, das Flämmchen hatte wie das Mündungsfeuer einer Lupara auf ihn gewirkt. »Was tun Sie da?«, schrie er, entsetzt von seinen Akten auf­blickend.
    »Ich stecke mir eine Zigarette an.«
    »Machen Sie dieses Ding sofort aus! Rauchen ist hier strengstens verboten!«
    Der Commissario sagte keinen Ton und machte das Feuer­zeug aus. Aber er behielt es in der Hand, wie er auch die Zigarette zwischen den Lippen behielt. Doch er hatte er­reicht, was er erreichen wollte, denn vor Schreck über die Bedrohung durch das einsatzbereite Feuerzeug kam der Questore zur Sache.
    »Montalbano, ich wurde leider mit der Nase auf einige Akten zu einem übel riechenden Fall gestoßen, in dem Sie vor einigen Jahren ermittelten, als ich noch nicht Que­store von Montelusa war.«
    »Ihre Nase ist zu empfindlich für diesen Beruf.« Die Bemerkung war ihm entschlüpft, er hatte sie nicht für sich behalten können. Und er bereute sie auf der Stelle. Er sah, wie sich Bonetti-Alderighis Hände in den Licht­kegel der Lampe schoben, wie sie sich an der Tischkante festkrallten, wie die Knöchel, weil er sich so mühsam beherrschte, weiß anliefen. Montalbano befürchtete das Schlimmste, aber der Questore zügelte sich. Mit erregter Stimme fuhr er fort:
    »Es handelt sich um die Ermittlung über eine tunesische Prostituierte, die später tot aufgefunden wurde und einen Sohn namens Francois hatte.«
    Der Name des Kleinen traf Montalbano wie ein Messer­stich ins Herz. Mein Gott, Francois! Wie lange hatte er ihn nicht gesehen? Er beschloss, sich anzuhören, was der Questore zu sagen hatte. Er wollte nicht, dass ihn die Woge der Gefühle, die ihn ergriffen hatte, fortriss und er dann keine Chance zur Verteidigung hatte, denn Bonetti-Alderighi würde ihn sicher gleich aller möglichen Vergehen beschuldigen. Montalbano versuchte, sich an alle Details des lange zurückliegenden Falles zu erinnern. Hatte etwa Lohengrin Pera, dieses Schwein vom Geheimdienst, nach so vielen Jahren Mittel und Wege gefunden, sich zu rä­chen? Was der Questore dann von sich gab, brachte Montalbano aus der Fassung.
    »Anscheinend hatten Sie anfangs die Absicht, zu heiraten und dieses Kind zu adoptieren. Stimmt das, ja oder nein?«
    »Ja, das stimmt«, antwortete der Commissario verwirrt. Was zum Teufel hatten seine Privatangelegenheiten mit dem Fall zu tun? Und woher wusste Bonetti-Alderighi solche Details?
    »Gut. In der Folge sollen Sie Ihre Meinung bezüglich der Adoption des Kindes geändert haben. Francois wurde dar­aufhin einer Schwester Ihres Stellvertreters Dottor Dome­nico Augello anvertraut. Richtig?« Worauf wollte dieser Widerling nur hinaus? »Richtig.«
    Montalbano verlor allmählich die
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