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Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde

Titel: Commissario Montalbano 06 - Der Kavalier der späten Stunde
Autoren: Andrea Camilleri
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Internet und solche Sachen wissen. Giacomo Pellegrino ist promovierter Betriebswirtschaftler, und Michela Man­ganaro promoviert gerade, ebenfalls in Betriebswirtschaft. Sie wohnen in Vigàta.«
    »Ich will mit ihnen reden. Schreib mir ihre Telefonnum­mern auf. Die will ich auf dem Tisch haben, wenn ich aus Montelusa zurück bin.«
    Mimi machte ein grimmiges Gesicht, stand auf und ver­ließ grußlos das Zimmer.
    Montalbano konnte ihn verstehen, Mimi fürchtete, dass Montalbano ihm den Fall wegnehmen könnte. Oder noch schlimmer: Er glaubte, der Commissario hätte irgendeine geniale Idee, die die Ermittlungen in die richtigen Bahnen lenken könnte. Aber so war es nicht. Konnte er Augello sagen, dass ihn nur ein vages Gefühl leitete, ein leiser Schat ten, ein zartes Spinngewebe, das beim kleinsten Wind­hauch zerreißen konnte?
    In der Trattoria »San Calogero« verdrückte er hinterein­ander zwei Portionen gegrillten Fisch, als ersten und als zweiten Gang. Danach machte er einen langen Verdau­ungsspaziergang auf der Mole, bis vor zum Leuchtturm. Einen Augenblick war er unschlüssig, ob er sich auf sei­nem gewohnten Felsen niederlassen sollte, aber es war zu windig und zu kalt, außerdem wollte er die Sache mit dem Questore loswerden. Er fuhr nach Montelusa und schaute, anstatt gleich in die Questura zu gehen, in der Redaktion von »Retelibera« vorbei. Man sagte ihm, sein Freund Zito, der Journalist, sei dienstlich unterwegs. Aber Annalisa, Mädchen für alles, nahm sich Zeit für ihn. »Habt ihr über Ragioniere Gargano berichtet?«
    »Im Zusammenhang mit seinem Verschwinden?«
    »Auch vorher.«
    »Wir haben jede Menge Berichte.«
    »Könnten Sie mir die überspielen, die Ihnen am aussage­kräftigsten erscheinen? Ginge das bis morgen Nachmit­tag?«
    Er stellte das Auto auf dem Parkplatz der Questura ab, be­trat das Gebäude durch eine Seitentür und wartete auf den Aufzug. Drei Personen wollten hinauffahren, einen Vicecommissario kannte er, und sie begrüßten sich. Sie lie­ ßen Montalbano den Vortritt. Als alle eingestiegen waren, einschließlich eines Mannes, der in letzter Sekunde ange­rannt kam, legte der Vicecommissario den Zeigefinger an den Knopf und verharrte so, gelähmt von Montalbanos Schrei. »Stopp!«
    Alle wandten sich um und blickten ihn an, halb erschro­cken, halb erstaunt.
    »Lassen Sie mich durch!«, rief er und bahnte sich mit den Ellenbogen einen Weg.
    Vom Aufzug rannte er zu seinem Auto, ließ den Motor an und fuhr fluchend los. Er hatte völlig vergessen, dass Mimi dem Questore erzählt haben musste, er sei an der Stirn genäht worden. Es gab nur eine Möglichkeit, er musste wieder nach Vigàta und sich von einem befreundeten Apo­theker einen Verband anlegen lassen.

Drei
    Mit einem dicken Mullverband um den Kopf kehrte er in die Questura zurück, er sah aus wie ein Vietnamheimkeh­rer. Im Vorzimmer des Questore begegnete er dem Chef des Stabes, Dottor Lattes, der wegen seiner schleimigen Art überall »lattes e mieles« hieß. Lattes bemerkte, und es blieb ihm auch wirklich nichts anderes übrig, den auffal­lenden Verband.
    »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Ein kleiner Autounfall. Halb so schlimm.«
    »Danken Sie der Madonna!«
    »Schon geschehen, Dottore.«
    »Und wie geht's Ihrer Familie, mein Verehrter? Allen gut?« Jedes Kind wusste, dass Montalbano Waise und nicht ver­heiratet war und auch keine heimlichen Kinder hatte. Und doch stellte Lattes ihm unweigerlich die immer gleiche Frage. Und der Commissario, mit spiegelbildlicher Hart­näckigkeit, enttäuschte ihn nie.
    »Es geht allen gut, der Madonna sei Dank. Und Ihrer?«
    »Meiner auch, dem Himmel sei Dank«, antwortete Lattes, beglückt über die Chance zur Variation, die Montalbano ihm geboten hatte. Und er fuhr fort: »Was machen Sie Schönes in dieser Gegend?«
    Wie bitte? Hatte der Questore seinem Stabschef etwa nichts von der Vorladung gesagt? War die Angelegenheit denn so vertraulich?
    »Dottor Bonetti-Alderighi hat mich angerufen. Er will mich sehen.«
    »Ach ja?«, wunderte sich Lattes. »Ich verständige den Herrn Polizeipräsidenten sofort, dass Sie da sind.«
    Er klopfte diskret an die Tür des Questore, trat ein, schloss die Tür, nach einer Weile ging die Tür wieder auf, Lattes erschien, ganz verändert, er lächelte nicht.
    »Gehen Sie hinein«, sagte er.
    Als er an ihm vorbeiging, versuchte Montalbano ihm in die Augen zu sehen, aber es gelang ihm nicht, der Chef des Sta­bes hielt den Kopf gesenkt.
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