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Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge

Titel: Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
Autoren: Andrea Camilleri
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wurde mindestens zehn Tage vor diesem Datum umgebracht. Der Gerichtsarzt ist hundertprozentig sicher. Ich versuche also zu begreifen, warum man sie woanders hingebracht hat. Aber ich habe keine Ahnung; ich kann es mir einfach nicht erklären.«
    Montalbano hatte schon eine Ahnung, aber das konnte er seinem Kollegen nicht sagen.
    Diese bescheuerten Geheimdienste stellten sich aber auch immer so saudumm an! Wie damals, als die Leute glauben sollten, daß an einem bestimmten Tag ein libysches Flugzeug in der Sila abgestürzt wäre, und sie ein Riesentheater mit viel Krach und Feuer inszeniert hatten. Bei der Obduktion kam dann heraus, daß der Pilot des Flugzeugs schon zwei Wochen vor dem Absturz gestorben war. Die fliegende Leiche.
    Nach dem schlichten, aber ausgezeichneten Abendessen machten Montalbano und sein Chef es sich im Arbeitszimmer bequem. Die Frau des Questore zog sich ebenfalls zurück; sie wollte fernsehen.
    Montalbanos Bericht dauerte lange und war so ausführlich, daß er nicht mal Lohengrin Peras Brille ausließ, die er absichtlich zertreten hatte. Irgendwann wurde die Erzählung zu einer Beichte. Aber die Absolution durch seinen Chef ließ auf sich warten. Er war verärgert, daß er nicht mit von der Partie gewesen war.
    »Montalbano, Sie sind gemein. Sie haben mir die Möglichkeit verwehrt, mich ein bißchen zu amüsieren, bevor ich in Pension gehe.«
    Livia, Liebes, Du wirst Dich über diesen Brief aus mindestens zwei Gründen wundern. Der erste Grund ist der Brief an sich, daß ich ihn überhaupt schreibe und abschicke. Ungeschriebene Briefe habe ich Dir schon viele geschickt, fast jeden Tag einen. Mir ist klar geworden, daß ich Dir in all diesen Jahren nur ab und zu eine schäbige Ansichtskarte mit »bürokratischen und kommissarischen Grüßen« geschickt habe, wie du das nennst.
    Der zweite Grund, der Dich nicht nur wundern, sondern, wie ich glaube, auch freuen wird, ist sein Inhalt.
    Seit Deiner Abreise vor genau fünfundfünfzig Tagen (wie du siehst, zähle ich mit) ist viel geschehen, von dem manches uns beide angeht. Doch zu sagen, es sei »geschehen«, ist nicht richtig, eigentlich müßte man sagen, daß ich es habe geschehen lassen.
    Du hast mir mal vorgeworfen, ich würde manchmal Gott spielen, indem ich mit kleineren oder größeren Unterlassungen und auch mehr oder weniger unrechtmäßigen Fälschungen den Lauf der Dinge (anderer Leute) ändere. Vielleicht stimmt das, das heißt, es stimmt sogar sicher, aber meinst Du nicht, daß das auch zu meinem Job gehört?
    Jedenfalls sage ich Dir gleich, daß ich Dir von einer weiteren Übertretung, wenn man es so nennen will, schreibe, die ich begangen habe, um eine Reihe von Ereignissen zu unseren Gunsten zu beeinflussen, also nicht für oder gegen jemand anderen. Doch zuerst will ich Dir von Francois erzählen.
    Wir haben seinen Namen nicht mehr ausgesprochen, weder Du noch ich, seit Du mir in Deiner letzten Nacht in Marinella vorgeworfen hast, ich würde nicht begreifen, daß dieses Kind das Kind sein könnte, das wir zusammen nie haben würden. Außerdem hat Dich die Art und Weise verletzt, wie ich Dir das Kind weggenommen habe. Aber schau, ich hatte Angst, und ich hatte allen Grund dazu. Francois war ein gefährlicher Zeuge geworden, und ich befürchtete, sie würden ihn verschwinden lassen (»neutralisieren« heißt das bei denen beschönigend).
    Daß wir diesen Namen nicht mehr ausgesprochen haben, hat unsere Telefongespräche belastet, sie waren ausweichend und ein bißchen lieblos. Weißt Du, der Grund, warum ich bisher nie von Francois gesprochen habe und Du vielleicht den Eindruck hattest, ich hätte ihn vergessen, liegt darin, daß ich keine gefährlichen Illusionen in Dir wecken wollte. Wenn ich Dir jetzt von ihm schreibe, bedeutet das, daß ich da keine Befürchtungen mehr habe. Erinnerst Du dich an den Morgen in Marinella, als Francois weglief, um seine Mutter zu suchen? Als wir dann zusammen wieder nach Hause gingen, sagte er mir, er wolle nicht ins Waisenhaus. Ich antwortete ihm, das würde auch nie geschehen. Ich gab ihm mein Ehrenwort, und wir drückten uns die Hand. Ich war eine Verpflichtung eingegangen, die ich um jeden Preis einhalten wollte. In diesen fünfundfünzig Tagen hat Mimi Augello auf meine Bitte hin dreimal in der Woche bei seiner Schwester angerufen, um zu hören, wie es dem Jungen geht. Die Antwort war immer positiv. Vorgestern habe ich ihn zusammen mit Mimi besucht (apropos, Du müßtest Mimi eigentlich einen
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