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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Autoren: Yasmina Khadra
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rostigen, grotesken, demütigenden Eisenringen stecken könnten. Nach einem Augenblick, der so lang ist wie ein Erdbeben, realisiert er schließlich, was ihm widerfährt. Er schüttelt heftig den Kopf, überzeugt, daß ein Manitu seines Formats von dieser Art Ritual verschont bleiben würde, daß er gegen die Wechselfälle des Lebens gefeit, daß er unantastbar, unbestrafbar, tabu sei.
    »Kommen Sie mir nicht zu nahe! Ich verbiete Ihnen, mich mit diesem Unrat zu berühren! Ich bin Dahmane Faid! Die Behörden fressen mir aus der Hand! Die höchsten Persönlichkeiten werfen sich mir zu Füßen! Ich fordere Sie auf, sich zurückzuziehen, Sie sind entlassen, überflüssig, abgeschafft. Ich habe schon manch armen Teufel den Kopf verlieren sehen. Ich habe Leute gesehen, die Halluzinationen hatten und dem Wahnsinn verfielen. Ich habe mehr als einen Gott vom Sockel stürzen sehen. Doch das Schauspiel, das Dahmane Faid uns da bietet, läßt jeden Exzeß Lichtjahre hinter sich.
    Ich habe wahrhaftig dem ersten Akt der Apokalypse beigewohnt.
     
    18
     
    Der Diener empfängt mich untertänig, nimmt mir meine Zigarette ab und führt mich in einen herrschaftlichen Salon. Es ist ein hagerer Greis mit schlohweißem Haar, aufrecht wie eine Fahnenstange, mit schmalem Gesicht, scharfgeschnittenen Zügen und mittendrin einer Hakennase, die so schlaff wie eine Flagge auf Halbmast hängt. Mit seinem steifen Brustkasten und seinen Frackzipfeln erinnert er an einen ausgebleichten Flamingo, der mit der Kralle versehentlich einer Schlange ins Maul geraten ist und so tut, als wäre alles in bester Ordnung. Seine aufgesetzte Würde hilft ihm offenbar, sich der lästigen Domestikenpflicht mit philosophischer Gelassenheit zu entledigen.
    »Wenn Monsieur liebenswürdigerweise hier auf mich warten würden«, spult er im Ton eines defekten Grammophons herunter. »Ich werde Monsieur benachrichtigen, daß Monsieur ihm einen Besuch abstatten möchten.«
    Nach einer Minute ist er wieder zurück, noch immer so starr wie eine fixe Idee. Seine Schulter neigt sich ehrerbietig und seine weißbehandschuhte Hand weist mir den Weg.
    »Wenn Monsieur mir bitte folgen wollen.«
    »Das laß ich mir nicht zweimal sagen!«
    Wir durchqueren ein granatrotes Samtuniversum, in dem es vor Silbergeschirr nur so funkelt und blitzt. Ausgestopfte Raubtiere liegen zwischen bauchigen Diwanen und verschnörkelten Bronzetischchen auf der Lauer. Eine echte Ritterrüstung hält in einem Alkoven Wacht, mit gezücktem Schwert und gesenktem Visier. Und sogar einen bengalischen Tiger gibt es, der sein Maul in lautlosem Gebrüll verrenkt und sein flaches Fell den Füßen darbietet, als käme er gerade unter einer Dampfwalze hervorgekrochen.
    Abderrahmane Kaak hat es sich in einem Schaukelstuhl auf der Veranda bequem gemacht. Er wirkt wie eine Marionette, die ein berühmter Bauchredner achtlos hat liegen lassen. Eine Zigarre in der einen Hand, ein Glas Alkohol in der anderen, schaut er aufs Meer hinaus und läßt sich einlullen vom Knarren des Schaukelstuhls. Er dreht sich nicht um. Mit der Zigarre deutet er auf den Schaukelstuhl nebenan. Ich lasse mich nieder und gebe acht, nicht mit allen vieren in der Luft zu landen, stütze einen Fuß an der Balustrade ab und lasse die Arme über die Lehnen baumeln.
    »Schöner Tag heute, Kommissar, finden Sie nicht auch?«
    »Für den, der es sich leisten kann.«
    »Das hier ist mein Lieblingsplatz. Wenn ich schlecht drauf bin, komme ich hierher, und das Mittelmeer übernimmt den Rest … Wie wär’s mit einem Aperitif?«
    »Bin praktizierender Muslim.«
    »Oder einer kleinen Erfrischung?«
    »Habe eine Halsentzündung.«
    Er schüttelt mißvergnügt den Kopf und stellt sein Getränk auf einem kleinen Glastisch ab. Ich muß mich aufrichten, um ihn überhaupt zu sehen, denn er ist tief in seinen Sitz gerutscht. Er trägt ein besticktes Saharagewand mit vergoldeten Pailletten am Kragen und geflochtenen Seidenbordüren an den Ärmeln. Im tiefen Ausschnitt ein winziger Bauch, glänzend vor Schweiß, ähnlich einem Schildkrötenpanzer. Um seinen fleischigen Hals schimmert eine Kette aus massivem Gold im Tageslicht.
    Er klopft die Asche von seiner Zigarre.
    Nur ein paar Schritte von uns entfernt schäumt das Meer, versprüht seine Gischt, tobt und tost.
    »Vor zwei Stunden war es absolut still«, bemerkt er.
    »Der Wind hat sich gedreht.«
    »Und deshalb sind Sie hier?«
    »Ihnen kann man aber auch gar nichts verbergen.«
    Ich lehne mich wieder bequem
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