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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Autoren: Yasmina Khadra
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über die Menschen lustig zu machen.
    »Ich hoffe, ich habe Ihre kostbare Zeit nicht überbeansprucht, Kommissar. Jedermann weiß, wie sehr Sie von diesem Krieg, der keine Vernunft annehmen will, gebeutelt sind.«
    »Halb so wild.«
    Er zieht die Brauen hoch und legt den Kopf schief, um mich aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. »Sind wir uns nicht schon einmal über den Weg gelaufen?«
    Seine Gedächtnislücke überrascht mich. Aber die Art von Amnesie ist bei uns gang und gäbe. Es scheint, daß einem davon Flügel wachsen.
    »Ich glaube kaum«, erwidere ich von oben herab.
    »Aber Ihre Züge …«
    »Ich verkörpere den kabylischen Durchschnittstyp. Es kommt öfter vor, daß man mich für jemand anderen hält.«
    Er läßt das Thema auf sich beruhen. Seine speckige Hand umfaßt behutsam ein Whiskyglas, führt es an die Lippen.
    »Meine Freunde sind des Lobes voll über Sie, Monsieur Llob. Sie sagen vor allem, daß Sie ein Mann sind, mit dem man rechnen kann.«
    »Nicht so gut wie mit einem Taschenrechner.«
    Er lacht. Ein Schüttelkrampf. Gerade so wie die Götter. Er stellt sein Glas wieder ab, nimmt mich voll ins Visier.
    »Ihr letztes Buch hat mich betroffen gemacht. Ich habe es zweimal gelesen.«
    »Zu liebenswürdig von Ihnen.«
    »Ich stimme Ihrer Analyse der Lage voll und ganz zu, Monsieur Llob.«
    Ich betrachte ein Gemälde von Dinet, das an der Wand zwischen zwei Damaszenerklingen hängt, und begreife nicht, was ein Objekt, das zum nationalen Kulturerbe zählt, in einer Privatwohnung verloren hat.
    Ben Ouda spült noch einen Schluck Whisky hinunter und schnalzt mit den Lippen. Als er die Beine ausstreckt, quillt sein Bauch unter seinem Mantel hervor.
    »Glauben Sie ans Schicksal, Monsieur Llob?«
    »Damit läßt sich so manches entschuldigen.«
    Er wiegt gedankenverloren den Kopf. »Ich habe oft das Gefühl, daß mir etwas Besonderes vorherbestimmt ist, Sie nicht?«
    Mit der Hand unterdrücke ich ein Gähnen.
    Er fügt hinzu: »Seit Jahren schon verfolgt mich eine Idee, aber ich hatte bisher keine … keine richtige Motivation. Ich gehöre eher zu den Langsamen. Aber die Lage im Land wird immer unübersichtlicher, und es drängt mich in letzter Zeit zu reagieren. Doch leider kommen mir jedesmal, wenn ich gerade aktiv werden will, meine Initiativen plötzlich unüberlegt, ungeeignet und selbstmörderisch vor. Zum Glück ist mir Ihr Buch in die Hände gefallen. Als ich es durch hatte, begriff ich, daß ich nicht allein dastehe, und ich beschloß, jetzt allen Ernstes etwas zu unternehmen. Was bei uns alles faul ist, läßt sich kaum benennen. Jetzt oder nie ist der Moment zu handeln, um die Hintergründe und Hintermänner dieser albernen Tragödie schonungslos aufzudecken.«
    Eine Tür geht auf, und er unterbricht sich. Ich drehe mich um und erblicke einen jungen Mann von seltener Schönheit, mit einem Gesicht wie ein Mädchen und einem Paar großer himmelblauer Augen. »Oh Pardon!« entschuldigt er sich.
    Ben hat der Zwischenfall aus dem Konzept gebracht. Seine Hängebacken sind feuerrot. Der Junge kehrt schleunigst ins Zimmer zurück und schließt sorgsam die Tür hinter sich.
    Ich tue so, als hätte ich nichts Anstößiges bemerkt, und schlage, um entspannt zu wirken, locker ein Bein über das andere.
    Ben steht auf, geht auf den Balkon. Der Wind zerzaust ihm die Handvoll grauer Haare, die er noch an den Schläfen hat. Er lehnt sich gefährlich weit übers Geländer und läßt seinen Blick über die Bucht schweifen, die von bleichen Hochhäusern umzingelt wird.
    »Kommen Sie mal hierher, Monsieur Llob.«
    Ich folge ihm wohl oder übel.
    Pathetisch weist er auf Algier: »Sehen Sie sich diese Stadt an. Sie bricht noch zusammen unter der Last der Belanglosigkeit. Abweisend, plebejisch, anonym. Wie ein morsches Modell. Und doch gleicht kein Himmel dem Himmel über Algier. Die Sonne über Algier ist purer Orgasmus. Die Nacht über Algier wahre Idylle. Dieses Land lechzt nach Trunkenheit. Seine Bestimmung ist es, rauschende Feste zu feiern.«
    Ich betrachte mit ihm den Hafen, den der Nebel einrahmt, Notre-Dame d’Afrique, die hoch auf ihrem Hügel ihren Ärger hinunterschluckt, die Kasbah, die wie ein zerrissenes Leichentuch wirkt, und habe nicht den leisesten Schimmer, worauf er eigentlich hinaus will.
    »Und sehen Sie nur das Resultat von dreißig unglückseligen Jahren Irrsinn. Straßen voller Gefahren, Müllberge, soweit das Auge blickt, und eine Mentalität, bei der selbst der stärkste Scanner
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