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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Autoren: Yasmina Khadra
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organisiert. Jede Kakerlake, die im Rinnstein auftaucht, wird auf der Stelle numeriert und registriert.«
    »Schön, das zu hören.«
    »Und der fromme Schreihals von Nummer 66?« zischt Lino, um sich vor dem Neuen in Szene zu setzen.
    Sid Ali verschwindet hinter der Theke und wedelt mit einem Fächer die Fliegen von seinen Fleischspießchen.
    Er sagt: »Seit man ihm im Kommissariat den Bart gerupft hat, ist er auf der Hut. Er grüßt brav, wenn er vorbeigeht, aber niemand erwidert seinen Gruß. Hier haben alle genug von den Gurus.«
    Ich nehme eine Flasche Limo unter die Lupe, finde, daß sie eine höchst merkwürdige Farbe hat, und stelle sie wieder hin.
    »Mir ist zu Ohren gekommen, daß sich nachts seltsame Vögel im Hammam [*Dampfbad] Cherif einquartieren.«
    Sid Alis Hand zeichnet beschwichtigend Komma um Komma in die Luft: »Die Jungs sind Typen von der Hochebene. Sie jobben in der Keksfabrik um die Ecke. Die sind durchgecheckt. Sind okay.«
    Da kommt ein Anruf von der Zentrale. Lino läuft hin, dann winkt er mich herbei: »Gibt Zoff, Kommy.«
    »Heh!« ruft Sid Ali. »Ich habe heute morgen keinen einzigen Kunden gehabt. Trinkt doch wenigstens was.«
    »Ich habe Halsweh, Alter. Ciao, und halt die Augen offen. Unsere Telefonnummer hast du ja …«
     
    Drei Polizeiwagen stehen mit vergeblich blinkendem Blaulicht vor der Hausnummer 14, Place de la Charite. Inspektor Bliss ist auch schon da, er hockt mit einer ausländischen Zigarette im Schnabel auf der Motorhaube.
    Das Liebkind vom Großen Manitu macht nicht den kleinen Finger krumm, um sich eine Spur korrekter in Szene zu setzen. Nur seine Augen weisen mir mit falschem Funkeln den Weg:
    »Die Jungs sind schon bei der Arbeit«, teilt er mir zwischen zwei Zügen mit, soll soviel heißen wie: er hat damit nichts am Hut.
    Zwei Träume sind mir kurz vor Ende meiner Laufbahn geblieben: meinen Ruhestand im Vollbesitz meiner Kräfte zu genießen und dieses Miststück so lange in der Mikrowelle zu schmoren, bis sein Schädel krachend auseinanderfliegt. Nichts ist widerwärtiger, als von einem Untergebenen, der sich im Schutz des Chefs sonnt, von oben herab behandelt zu werden.
    Der Treppenabsatz vom fünften Stock schwimmt in Blut, das in alle Richtungen verläuft und stellenweise schon über die Stufen tropft. Lino bewegt sich mit dem Rücken zur Wand voran, um seine Leinenschuhe nicht zu versauen.
    Hie und da taucht ein Polizist auf der Suche nach Indizien auf, während ein Fotograf ein Blitzlichtgewitter auf die Szenerie abschießt. Ben Ouda liegt in der Diele, enthauptet, die Arme wie am Kreuz ausgebreitet. Auf dem Sofa eine groteske Axt, über und über voll mit bräunlichen Blutklumpen.
    »Sein Kopf ist im Badezimmer, in der Kloschüssel«, informiert mich der Brigadier, während er sich mit einem Lappen Spuren von Erbrochenem von der Uniformjacke wischt. »Wenn das so weitergeht, kommen die Menschen in ein paar Generationen gleich mit nichts zwischen den Schultern zur Welt.«
    »Wieso? Haben sie denn heute was dazwischen?«
    Lino ist nicht weit gekommen. Dieses Gemetzel sieht er Tag für Tag, aber er kann sich einfach nicht daran gewöhnen. Er sucht sich einen Tisch als Halt und zündet sich eine Zigarette an, um nicht gleich loszukotzen.
    Der Brigadier fügt hinzu: »In der Garderobe hat sich ein Typ versteckt. Er weigert sich herauszukommen.«
    Ich folge ihm ins Schlafzimmer, das ganz in Rosa gestrichen ist, mit männlichen Aktbildern an den Wänden und Blumen in den Ecken. Links ein großer Kleiderschrank mit leicht geöffneten Türflügeln. Ich gehe in die Hocke. Der Knabe kauert ganz hinten im Schrank, den Kopf zwischen den Schenkeln vergraben, und schlottert so sehr, daß seine Zähne gegeneinanderschlagen.
    »Kannst rauskommen, Kleiner. Alles vorbei.«
    Es ist Ben Oudas Jüngling. Er ist wie betäubt, leichenblaß, und scheint den Sinn meiner Worte nicht verstanden zu haben. Er gibt eine Art Gurgeln von sich und zieht sich noch ein bißchen tiefer ins Dunkle zurück.
    »Nun komm schon raus. Der schwarze Mann ist weg.«
    Seine Muskeln verhärten sich unter meinen Fingern. Ich ziehe ihn behutsam zu mir her. Er läßt es geschehen wie ein Kind. Der Brigadier hilft ihm, sich aufs Bett zu setzen, bietet ihm ein Glas Wasser an. Der Junge hat nicht die Kraft, den Arm zu heben. Er starrt uns mit irrem Blick an.
    Plötzlich bricht es aus ihm heraus: »Nie hätte ich gedacht, daß ein Mensch so schreien kann. Er schrie, wie man gar nicht schreien kann. Ich glaube,
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