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Collector’s Pack

Collector’s Pack

Titel: Collector’s Pack
Autoren: Mario Giordano
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wegkommen, Peter! Wir sprechen später.«
    »Nein, das klären wir jetzt! Was wissen Sie hierüber?«, keuchte Peter im Laufen. Auch andere Menschen eilten nun auf den Ausgang zu. Das Beben wurde immer stärker, erschütterte inzwischen das ganze Gewölbe. In der Johanneskapelle fiel ein Kreuz von der Wand und krachte auf den Altar. Dann, so plötzlich, wie es begonnen hatte, hörte das Beben auf. Stille. Das Domgewölbe, sonst immer durchweht von Stimmengewirr, Chorgesang oder Orgelmusik, spannte sich nun totenstill über ihm auf. Ganz in der Nähe des Vierungsaltars im Zentrum des Kirchenschiffs, wo Langhaus und Querhaus sich kreuzten, blieb Peter stehen und horchte. Nichts mehr, nur die Stimme von Laurenz an seinem Ohr.
    »Was ist jetzt passiert?«
    »Es hat aufgehört.«
    »Nein, Peter, es …«
    Aber Peter unterbrach ihn erneut. »Hören Sie, Laurenz, es ist mir egal, was Sie und Nakashima von mir wollen. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mein Leben gerettet haben. Ich bin sogar irgendwie dankbar für diese neue Hand. Aber ich hab die Schnauze voll, ständig manipuliert zu werden. Ich bin draußen.«
    Was war das?
    Eine Bewegung des hölzernen Vierungsaltars hatte ihn abgelenkt. Peter starrte das Podest des zentralen Altars an, unter dem verborgen das kostbare Mosaik der Vierung lag, mit der Sonne in der Mitte, umgeben von Darstellungen der Tageszeiten, Mondphasen, Tierkreiszeichen und der menschlichen Temperamente. Ein erstaunlich naturwissenschaftliches Mosaik für den zentralen liturgischen Bereich in einem der vier wichtigsten katholischen Kirchengebäude der Welt.
    »Peter, Sie verstehen nicht!«, fuhr Laurenz aufgeregt fort. »Die Apokalypse …«
    »Ich scheiß auf die Apokalypse! Was wir zusammen erlebt haben, war ein Anschlag auf den Vatikan und die Weltordnung, geplant und durchgeführt von einer internationalen Gruppe okkulter Irrer. Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber falls die ›Träger des Lichts‹ wirklich noch aktiv sind, dann gibt es nichts, was ich tun kann, um irgendeine … ›Apokalypse‹ zu verhindern.«
    »Das stimmt, Peter«, hörte er Laurenz jetzt überraschend sagen. »Denn die Apokalypse hat längst beg…«
    »Laurenz?«
    Die Verbindung brach ab. Nur noch statisches Rauschen in der Leitung. Im gleichen Augenblick nahm Peter zwei Dinge wahr. Das Erste war eine weitere Bewegung des hölzernen Vierungsaltars. Peter sah, wie er förmlich angehoben wurde, wie das Holz sich nach außen wölbte, als sollte der Altar von unten umgestülpt werden – und dann krachend zersplitterte. Das Zweite war die Frau auf der gegenüberliegenden Seite des Altars. Eine junge amerikanische Touristin in den üblichen kurzen Hosen und Flipflops. Im selben Augenblick, als das Podest des Vierungsaltars aufbrach, fing sie Feuer.
    Fing einfach Feuer. Wie von einer unsichtbaren Hitzewand getroffen, stand ihr ganzer Körper schlagartig in Flammen. Peter sah entsetzt zu, wie sie sich brennend und schreiend auf dem Boden wälzte, spürte die Hitze der Flammen, roch ihr verbrennendes Fleisch.
    Doch das war erst der Anfang. Das Beben setzte wieder ein, heftiger als zuvor. Pulsierende Stöße aus der Tiefe. Das Panzerglas um den Dreikönigsschrein zersplitterte mit einem Knall. Das wertvolle mittelalterliche Gereonskreuz fing lodernd Feuer, wie auch das Triptychon der Marienkapelle. Säulenteile stürzten herab und erschlugen diejenigen, die am Rand des Kirchenschiffs Schutz gesucht hatten. Das geborstene Holzpodest des Vierungsaltars wurde emporgeschleudert, hoch hinauf durch das Längsschiff, und erschlug mit einem ohrenbetäubenden Knall eine Gruppe pakistanischer Nonnen. Peter sah, wie jetzt auch andere Menschen um ihn herum Feuer fingen, sich spontan entzündeten und lodernd wie Fackeln durch die Kirche taumelten. Menschen in Flammen überall. Für einen kurzen Moment durchzuckte Peter die Erinnerung an seine Mutter kurz bevor sie starb, an den Anblick ihrer brennenden Haare, der ihn seit seiner Kindheit in allen Albträumen verfolgte. Doch dies hier war unendlich schlimmer. Panik, Geschrei und der Geruch von verbranntem Fleisch. Trümmer von Säulen und Verzierungen, die auf die Flüchtenden herabstürzten. Immer noch bebte die Erde. Peter verlor den Halt unter den Füßen und stürzte zu Boden. Eine Marienstatue schlug krachend neben ihm auf und verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Das löste immerhin seine Lähmung. Hastig robbte er zurück, nur weg aus dem Zentrum des Bebens.
    In der nächsten Sekunde
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