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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Hand.
    Nachdem er die Instruktionen weitergegeben hatte, hörte Walde ihn sagen: »Was? Siggi und Erich wollen noch in der Zelle ihr Schachspiel beenden? Das ist mir, ehrlich gesagt, total egal. Kümmern Sie sich bitte um das, worum ich Sie gebeten habe.«
    *
    Kaum war der Zug aus der Stadt heraus, flog die Landschaft am Fenster vorbei. Die beleuchteten Kühltürme eines Kernkraftwerkes spuckten riesige Dampfwolken aus, die sich zu einer in den Abendhimmel reichenden gekrümmten Wolke vereinigten.
    »Das war Cattenom«, klärte die Dame den neben ihr am Fenster sitzenden Enkel auf. Bernard saß ihr gegenüber und beobachtete, wie der langsamer werdende Zug in einen Bahnhof einfuhr und hielt. Noch während seine Augen den Bahnsteig nach Zöllnern oder Polizisten absuchten, wurde die Abteiltür aufgeschoben.
    Ein junger Mann in dunkelblauer Uniform und langen blonden Haaren, die ihm wie ein Vorhang übers Gesicht fielen, kam herein. Der Schaffner kontrollierte erst die Fahrkarten der Frau und des Jungen, dann betrachtete er Bernards Ticket durch einen Spalt zwischen seinen Haaren. Der junge Mann schaute Bernard an, der inzwischen die Baseballkappe abgenommen hatte.
    *
    Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Fingerabdruck im Wagen mit den aus Trier übermittelten Daten verglichen war.
    »Was wir in dem Mietwagen gefunden haben, ist eindeutig der Abdruck von Nummer zwei«, stellte Eric Theis fest.
    »Bei Nummer zwei handelt es sich um den gestern ermordet aufgefundenen Räuber«, kommentierte Grabbe. »Das heißt, Nummer eins läuft hier irgendwo frei herum.«
    »Falls der Abdruck auf dem Blatt aus dem Garten der Domkurie wirklich vom Räuber stammt und nicht von Professor Adams selbst«, sagte Harry.
    »Der wird doch nicht in seinen eigenen Garten … sich dahin gehockt haben, aber sei’s drum«, Grabbe schaute auf die Uhr, »Nummer eins hatte, seitdem er den Wagen abgegeben hat, mehr als zwei Stunden Zeit, um einen Abflug zu machen.«
    »Falls Sie Findel meinen, dort sind nach neunzehn Uhr nur noch drei Maschinen gestartet. Nach Genf, Wien und Mailand.« Theis schien den Flugplan im Kopf zu haben. »Die letzte Passagiermaschine sollte vor etwa einer Stunde abfliegen. Ich höre mal am Flughafen nach.«
    Nachdem er telefoniert hatte, erklärte Theis: »Es geht noch eine Maschine, die durch den Streik am Londoner Flughafen Heathrow drei Stunden Verspätung hat. Die Fluggäste der drei anderen Maschinen sind von den Kollegen überprüft worden. London wurde bereits abgefertigt, bevor die Zielperson den Wagen abgegeben hat.«
    »Dann sollten wir uns auf den Bahnhof konzentrieren«, sagte Walde.
    *
    Den Nahverkehrszug hatte sich Bernard wegen der vielen Pendler ausgesucht. Die Direktverbindung nach Paris und Brüssel wurde sicher genauer kontrolliert als dieser Bummelzug, der alle paar Minuten einen Stopp einlegte.
    Noch vor ein paar Stunden hatte sich Bernard auf ein Abendessen in Paris gefreut, mit dem er sich belohnen wollte. Aber es war anders gelaufen, als er es geplant hatte. Wie so manches in den letzten Tagen anders gelaufen war.
    Bernard sah auf sein Spiegelbild im dunklen Abteilfenster. Würde ihn das Phantombild auch in französischen Zeitungen verfolgen?
    In seiner Tasche fand er eine halbe Packung Kekse, die er den beiden Mitreisenden anbot. Der süße Geschmack erinnerte ihn an die langen Stunden, die er im Gartenhaus der Kurie zugebracht hatte. Als er sich mit dem Handrücken über den Mund wischte, fühlte sich seine Oberlippe ohne Schnurrbart nackt an.
    *
    Nachdem Eric Theis mit den Polizisten am Eingang des Bahnhofsgebäudes gesprochen hatte, trat er zu den deutschen Kollegen, die vor der Abfahrtstafel standen.
    »Viele Wege führen aus Luxemburg«, wiederholte Grabbe den Ausspruch des Luxemburger Kommissars. »Brüssel, Trier, Metz, Saarburg, Longwy.« Er fuhr mit dem Zeigefinger am Glas entlang.
    Sie traten beiseite, um Leuten Platz zu machen, die ebenfalls nach den Zugverbindungen sehen wollten.
    »Komm, wir gehen schon mal rüber zu den Bahnsteigen«, forderte Gabi Harry auf. »Die paar Polizisten können unmöglich dafür garantieren, dass Nummer eins hier nicht durchschlüpft, obwohl die Rushhour schon vorbei ist.«
    Während Walde und Grabbe ihnen nachschauten, sagte ihr Luxemburger Begleiter: »Ich glaube, die Verbindungen nach Longwy und Saarburg können wir ausschließen. Wenn die gesuchte Person die Bahn benutzt, wird sie sich keine Ziele in fünfzig Kilometern Umkreis aussuchen, um dann in der
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