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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel
Autoren: Mischa Martini
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der Autovermietung an den Straßenrand.
    Als Harry sein Fenster herunterließ, versuchte der Mann ein Lächeln: »Eric Theis, hallo.« Dabei kamen kleine spitze Zähne zum Vorschein. »Wir bringen den Mietwagen zur Untersuchung ins Präsidium. Am besten fahren Sie hinter uns her, es ist nicht weit.«
    Nebenan war ein schwarzer Audi bereits auf einen Abschleppwagen verladen worden.
    Sie folgten dem kleinen Wagenkonvoi ins nahe gelegene Präsidium, wo Eric Theis, nachdem er mit den Technikern gesprochen hatte, die Trierer Kollegen hoch in den fünften Stock geleitete. In einem gediegen eingerichteten Eckbüro nahmen sie in einer Sitzgruppe am Fenster Platz. Der Kollege entschuldigte sich und verließ das Büro. Walde sah aus einem der Fenster hinaus auf die Luxemburger Innenstadt mit der angestrahlten Kathedrale Notre-Dame.
    »Ist das dahinten der Herzogspalast?«, fragte Gabi und blickte nach draußen.
    »Gut möglich«, sagte Harry und schaute sich um. »Nette Bude hat der hier.« Er zeigte in den Raum. »Da würde Stiermann neidisch werden. Welche Funktion hat dieser Theis überhaupt?«
    »Dass man in Luxemburg mit dieser schrecklichen Frisur und diesem Lenin-Spitzbart überhaupt Karriere machen kann?«, wunderte sich Gabi.
    »Er ist vielleicht der Bruder des Polizeipräsidenten Jean-Marie Theis. Bei dem musste ich mich vor ein paar Jahren mal für eine verunglückte Aktion entschuldigen, aber das …« Harry brach ab, als die Tür geöffnet wurde und Eric Theis ein Tablett mit Kaffeetassen und einer großen Kanne hereinbrachte.
    »Die Dame in der Autovermietung meint, die Zielperson erkannt zu haben.«
    »Wann war das?«, fragte Walde.
    »Gegen neunzehn Uhr, kurz vor Ende der Geschäftszeit. Er soll in der Variante drei aufgetreten sein«, Theis deutete auf die entsprechende Phantomzeichnung auf dem Tisch, »ohne Brille und glatt rasiert.«
    Ein Polizist in dunkelblauer Uniform brachte eine ovale Platte mit belegten Brötchen herein. Theis nahm sie entgegen und stellte sie vor seine Gäste auf den Tisch: »Bitte, greifen Sie zu!«
    »Jetzt gilt es, herauszufinden, ob es sich wirklich um den Gesuchten handelt. Unsere Techniker untersuchen den Wagen mit Hochdruck.« Zwischen den langen Koteletten wirkten die dunklen Augen des Mannes wie die eines Raben. Sein Alter war schwer zu schätzen. Die straffe Gesichtshaut spannte sich über den hervortretenden Backenkochen. Zwischen Kinnbart und Hemdkragen baumelte die schlaffe Haut, grau wie eine verrauchte Kneipengardine.
    »Und in der Zwischenzeit ist unser Mann über alle Berge«, sagte Gabi mit vollem Mund.
    »Wir haben sofort die Fahndung verstärkt und auch die neueste Erkenntnis, was das Aussehen der Zielperson angeht, an alle relevanten Stellen weitergegeben. Vermutlich reist er mit dem Zug weiter. Die Autovermietung ist ganz in der Nähe des Bahnhofs.«
    »Was ist mit dem Flughafen?«, fragte Harry.
    »In Findel wird natürlich besonders gründlich kontrolliert, ist auch viel einfacher als auf dem Bahnhof.« Theis zog eine Schachtel Zigaretten aus der Jacke, ließ sie aber gleich wieder zurückgleiten. Seine Gäste waren noch mit den belegten Brötchen beschäftigt.
    »Was ist mit den Bussen?«, fragte Harry.
    »Die zu kontrollieren ist unmöglich. Viele Wege führen aus Luxemburg hinaus.«
    Walde war noch längst nicht gesättigt. Er hatte den Eindruck, dass ihm selbst Ulis legendäre Baguettes noch nie so gut geschmeckt hatten wie diese Brötchen. Er trank einen Schluck Kaffee, bevor er zu sprechen begann: »Vermutlich handelt es sich um einen international operierenden Kunstdieb, der kaum im Umland der Stadt Luxemburg wohnhaft sein dürfte.«
    »Vielleicht ist es ja nur falscher Alarm.« Gabi strich beim Aufstehen mit beiden Händen die Krümel von ihrem Rock und gesellte sich zu ihrem Gastgeber, der sich in dem weiträumigen Büro zum Rauchen an seinen Schreibtisch zurückgezogen hatte.
    »Das werden wir bald wissen.«
    *
    »Darf ich Ihnen helfen?« Bernard deutete auf den großen Koffer, mit dem sich die ältere Dame auf den Stufen zum Bahnhofsgebäude abmühte. An der linken Hand führte sie einen etwa zehnjährigen Jungen, der einen länglichen Karton unter dem Arm trug. Der Junge wirkte übermüdet. Die Frau musterte Bernard mit kritischem Blick, als wolle sie abschätzen, ob der Fremde, der sie auf Französisch angesprochen hatte, es auf ihren Koffer abgesehen habe.
    »Vielen Dank«, antwortete die Französin schließlich und stellte schwer atmend den
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