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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel
Autoren: Mischa Martini
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stimmen sollte, schlägt das, was ich soeben gehört habe, dem Fass den Boden aus.«
    »Was?«
    »Wen Sie verhaftet …«
    »… vorläufig festgenommen …«, versuchte Walde zu korrigieren.
    »Mir wurde zugetragen, wer da bei uns im Haus in den Zellen hockt.«
    Stiermanns Stiefel scharrten unruhig über den Boden.
    »Da wissen Sie vielleicht mehr als ich, bevor die beiden nicht endlich mit ihren richtigen Namen herausrücken.«
    »Aber darum geht es nicht.«
    »Nein, es geht auch um Einbruch, Amtsanmaßung, Irreführung, Ermittlungsbehinderung …«
    »Ja, ja, aber …«
    »… ich bin der gleichen Meinung wie Sie, was Gastfreundschaft betrifft«, Walde hatte in so manchen Gefechten mit Doris gelernt zu spüren, wann Oberwasser erreicht war, »aber es gibt da auch Regeln, die von den Gästen eingehalten werden sollten. Wenn Sie Ihre Steuererklärung zufällig im Gästezimmer liegen haben, möchten Sie bestimmt auch nicht, dass Ihre Gäste diese für Sie ausfüllen.«
    »Das gibt mir aber noch lange kein Recht, unsere Gäste zu verhaften.«
    »Vorläufig festzunehmen, wohlgemerkt.« Walde griff nach seinem Glas. Wie bestellt, klingelte sein Telefon.
    Stiermann schaute dermaßen genervt, dass Walde das Telefon abschaltete. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Die Sekretärin des Polizeipräsidenten kam, mit einem Telefon wedelnd, herein: »Herr Bock, es scheint dringend zu sein.«
    *
    In dem bereits mit laufendem Motor vor dem Haupteingang stehenden Wagen warteten Harry, Gabi und Grabbe. Noch bevor Walde die Tür schließen konnte, fuhr Harry los.
    »Unser Mann hat in Luxemburg seinen Leihwagen zurückgebracht«, berichtete Grabbe. »Eine Angestellte will ihn erkannt haben. Sie ist auf ihn aufmerksam geworden, weil er bei sommerlichen Temperaturen Handschuhe trug. Er soll keine Hornbrille mehr tragen und glatt rasiert sein.«
    Als eine knappe Viertelstunde später die Grenzbrücke in Sicht kam, schaltete Harry das Blaulicht aus. Von hinten sah Walde, wie sich die Tachonadel nach unten gegen Hundert bewegte.
    »Was ist los?«, fragte Gabi ungeduldig.
    »Wir kommen zur Grenze«, sagte Harry.
    »Lass stecken, wir brauchen keine Papiere.«
    »Aber wir sind als deutsche Polizei in Luxemburg im Einsatz!«
    »Ist das hier ein Streifenwagen?« Gabi klopfte gegen die Seitenscheibe.
    »Nein.«
    »Ist das eine Uniform?« Sie klopfte auf ihren Rock.
    »Gewiss nicht.«
    Sie passierten die ehemalige Zollanlage. Auf der anderen Seite stauten sich Lkws vor einer großen Tankstelle.
    »Sind wir die Helden, die den Luxemburger Außenminister vor einem Attentat gerettet haben?«
    Harry nickte. »Das sind wir!«
    »Dann drück auf die Tube!«
    Harry trat das Gaspedal durch und blieb auf der linken Fahrbahnseite. In Richtung Luxemburg waren wenige Fahrzeuge unterwegs. Auf der Gegenseite kam ihnen ein endloser Strom von deutschen Pendlern entgegen, die erst jetzt von ihren luxemburgischen Arbeitsplätzen zurückkehrten.
    »Der Fingerabdruck auf dem Heiligen Nagel stammt eindeutig vom Toten aus dem Regenbogenviertel«, sagte Grabbe. »Beim Andreas-Tragaltar haben wir innen und außen nur Veits Fingerabdrücke gefunden, aber das Nagelreliquiar hat der Einsiedler aus Unkenntnis oder Ehrfurcht nicht geöffnet.«
    Die untergegangene Sonne ließ das Wolkenband am Horizont rosarot leuchten.
    »Und in seiner Wohnung?«, fragte Walde.
    »Was meinst du?«
    »Gibt es Übereinstimmungen mit dem Fingerabdruck von dem Lorbeerblatt aus der Kurie?«, fragte Walde.
    »Negativ, aber wir haben Faserspuren gefunden, die mit denen vom Dachboden des Kutscherhauses übereinstimmen könnten.«
     
    In der Nähe des Bahnhofs warf Bernard den Umschlag mit den Polaroids des Codex in einen Briefkasten. Auch wenn es bei diesen Temperaturen ungewöhnlich erscheinen mochte, trug er einen Handschuh, um keinen Fingerabdruck auf dem Kuvert zu hinterlassen.
    Am Imbissstand aß er eine Wurst und trank ein Bier dazu. Anschließend setzte er sich in einem nahen Café an einen der hinteren Tische, wo er sich die meiste Zeit hinter einer Zeitung vor den Blicken der wenigen hier verkehrenden Gäste verbarg.
    Bernard hatte noch viel Zeit, bis sein Zug ging. Bis Paris würde er fast sieben Stunden unterwegs sein. Der erste Zug am nächsten Morgen würde für die gleiche Strecke nur vier Stunden brauchen, aber Bernard musste weg. Das spürte er überdeutlich. In allen Zeitungen wurde, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung, von den neuesten Entwicklungen im Raub in der Trierer
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