Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cigams Sündenfall

Cigams Sündenfall

Titel: Cigams Sündenfall
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
entfernt sein.
    Suko war bereits ein Stück vorgegangen. Wir sahen, wie er sich zwischen den Grabsteinen hindurchschlängelte. Milena erklärte mir, daß am Grab des Rabbi Loew Platz geschaffen worden wäre, damit die Touristen den alten Grabstein bestaunen konnten.
    »Ist er denn etwas Besonderes?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Er sieht aus wie all die anderen auch. Vielleicht ist er etwas breiter.« Sie hob die Schultern.
    Suko erwartete uns. Er ging nicht mehr weiter. Er mußte das Ziel erreicht haben.
    Wieder hörten wir das Stöhnen.
    Dann winkte unser Freund.
    Milena und ich gingen jetzt schneller. Wir ahnten beide, daß uns etwas Unerwartetes geboten werden würde, sonst hätte Suko nicht so hektisch Zeichen gegeben.
    Dann waren wir bei ihm.
    Milena öffnete den Mund. Sie hatte Mühe, den Laut der Überraschung wieder zu schlucken.
    Auch ich hatte damit nicht gerechnet, aber die Szene bewies uns, daß man uns bereits erwartet hatte, denn was wir sahen, war ein makabrer Willkommensgruß.
    An dem schief stehenden Grabstein war mit dünnen, reißfesten Nylonstricken ein Mann gebunden worden. Man hatte ihn verschnürt wie ein Paket, und ein Band spannte sich auf der Haut seines Halses.
    »Wer ist das?« fragte Milena.
    Wir kannten ihn beide, und ich überließ Suko die Antwort. Mit leiser Stimme sagte er: »Logan Costello…«
    ***
    Wären wir cool und locker gewesen, hätten wir eigentlich sagen müssen:
    »So trifft man sich wieder.« Aber wir waren weder cool noch locker, sondern standen unter einer gewaltigen Anspannung, besonders jetzt, wo wir das Grab des Rabbis erreicht hatten und nun diese Überraschung erleben mußten. Wir drei waren sprachlos, wir konnten nur staunen, besonders Milena, die auf der Stelle stand, sich aber einige Male umdrehte und nachsah, ob sich jemand in der Nähe aufhielt.
    Ich schaute mir Costello an. Es ging ihm nicht nur nicht gut, es ging ihm sogar verdammt schlecht, und ich dachte daran, daß er sich diesmal übernommen hatte. So allein hatte ich ihn selten gesehen, vor allen Dingen nicht in einer derartigen Lage. Er schien von Gott, der Welt und auch von seinen Leibwächtern verlassen zu sein. Wer diese relativ kleine, graue, aber kompakte Gestalt so sah, der konnte kaum glauben, daß es sich bei ihm um einen der mächtigsten Mafiachefs Europas handelte. Er war nicht mehr als ein gefesseltes hilfloses Bündel, das sich in den straff gespannten, dünnen Stricken nicht rühren konnte.
    Man hatte ihn fest gegen das alte Gestein gepreßt und dann die Stricke stramm gezogen. Von den Füßen bis zum Hals waren die dünnen Sehnen gezogen worden, und gerade die, die unter seinem Kinn entlanglief, nahm ihm einen Teil der Luft, so daß er nicht in der Lage war zu sprechen. Er konnte sich nur röchelnd oder winselnd bemerkbar machen. Wahrscheinlich hatte er auch unsere Tritte gehört und deshalb nach uns gerufen.
    Jedenfalls hing er fest. Seine Augen standen weit offen. Das Gesicht war gerötet, auch den Mund hatte er nicht geschlossen. Aus dem rechten Winkel war Speichel gesickert und auf dem Weg zu seinem Kinn getrocknet, so daß sich dort eine helle Bahn abzeichnete.
    Er atmete stoßweise, aber nie tief. Er hatte uns erkannt, und jetzt versuchte er auch, mit uns zu sprechen.
    »Wenn Sie nicht können, lassen Sie es, Costello«, sagte ich.
    »Nein«, würgte er, »nein, ich kann wohl. Ich… ich will auch reden, versteht ihr?«
    »Okay. Worum geht es?«
    »Man will euch töten.«
    »Das wissen wir.«
    Das Betongesicht, wie er auch genannt wurde, schaffte es tatsächlich, zu lachen. »Aber sie sind stark, sehr stark«, keuchte er. »Dieser Cigam und seine Schwester haben alle umgebracht. Ich habe es gesehen, ich bin allein übriggeblieben.«
    »Wen töteten sie?«
    »Meine Leute. Ich hatte drei mitgenommen. Sie leben alle nicht mehr. Ich mußte zusehen, wie sie starben.«
    Das war hart, auch für einen Verbrecher wie Costello, denn irgendwo hatte auch er Gefühle. Ich senkte den Blick. Als ich zu Boden schaute, da sah ich auch die zahlreichen Zettel mit den Botschaften, die aus den Rissen und Spalten des Grabsteins hervorgerutscht waren, als man Costello daran gefesselt hatte.
    »Warum hat man Sie hier abgesetzt?« hörte ich Suko fragen.
    »Man will mich nicht mehr.«
    Suko war skeptisch. »Ist das der einzige Grund?«
    »Ich glaube schon.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Ich habe es versucht, okay, ich habe es versucht«, brachte er abgehackt und keuchend hervor. »Aber es ist mir nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher