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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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das Einzige an ihrer Arbeit, das er überhaupt ins Auge fasste.
    Andere sahen ihren Auftrag ganz anders. General Magruder hielt an der Meinung fest, das Weiße Haus sei stillschweigend damit einverstanden, wenn die Central Intelligence Group einen Geheimdienst betreibe. Sollte es tatsächlich so gewesen sein, dann wurde nichts davon jemals auf Papier festgehalten. Der Präsident hat sich nie dazu geäußert, sodass außer ihm fast niemand in der Regierung die Rechtmäßigkeit der neuen Gruppe anerkannte. Pentagon und Außenministerium weigerten sich, mit Souers und seinen Leuten zu reden. Heer, Marine und FBI behandelten sie mit tiefster Verachtung. Souers hielt sich kaum 100 Tage als Direktor, blieb danach aber als Berater des Präsidenten im Weißen Haus. Er hinterließ eine einzige Aktennotiz, die etwas bewirkte, einen Vermerk der höchsten Geheimhaltungsstufe mit dem folgenden Appell: »Es besteht dringender Bedarf an der Gewinnung möglichst erstklassiger Geheiminformationen über die UdSSR in möglichst kurzer Zeit.«
    Die einzigen Erkenntnisse, die Amerika damals über den Kreml besaß, stammten vom neuernannten US-Botschafter in Moskau, General Walter Bedell Smith, später CIA-Direktor, und von seinem prominenten Russland-Fachmann George Kennan.
    »Was will die Sowjetunion?«
    Bedell Smith war Sohn eines Ladenbesitzers aus Indiana und ganz ohne den Schliff durch die Militärakademie in West Point oder einen Universitätsabschluss vom einfachen Soldaten zum General aufgestiegen. Als Eisenhowers Stabschef im Zweiten Weltkrieg hatte er jede Schlacht in Nordafrika und Europa durchgeplant. Seine Offizierskollegen respektierten und fürchteten ihn; er war Ikes gestrenger Zuchtmeister. Er arbeitete auch selber bis zur völligen Erschöpfung. Als er am Ende eines späten Abendessens mit Eisenhower und Winston Churchill zusammenbrach und in einem britischen Krankenhaus Bluttransfusionen erhielt, weil er ein offenes Magengeschwür hatte, redete er so lange, bis er die Klinik verlassen und zum Zelt seines Oberkommandierenden zurückkehren durfte. Mit russischen Offizieren hatte er sich im alliierten Hauptquartier von Algier zusammengesetzt, um bei unbeholfenen Tischgesprächen gemeinsame Operationen gegen die Nationalsozialisten zu planen. Die deutsche Kapitulation, die den Krieg beendete, nahm er persönlich entgegen, und dabei warf er – in dem kleinen, arg lädierten roten Schulgebäude in Reims, das dem amerikanischen Militär bei seinem Vormarsch in Frankreich als Hauptquartier diente – einen verächtlichen Blick auf den deutschen Führungsstab. Ebenfalls in Reims traf er am 8.Mai 1945, dem Tag des Sieges, ein paar flüchtige Minuten lang mit Allen Dulles und Richard Helms zusammen. Dulles, gichtgeplagt und auf Krücken, wollte Eisenhower sprechen und seine Zustimmung zum Aufbau einer mächtigen amerikanischen Nachrichtendienst-Zentrale in Berlin gewinnen. Aber an jenem Morgen hatte der General keine Zeit für Dulles – ein böses Vorzeichen.
    Im März 1946 traf Bedell Smith in Moskau ein, wo er von George Kennan, dem Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft, eingearbeitet wurde. Kennan hatte jahrelang in Russland gelebt und viele dunkle Stunden damit verbracht, das Rätsel Josef Stalin zu lösen. Die Rote Armee hatte im Krieg halb Europa erobert, aber diesen Erfolg mit der erschreckenden Zahl von 20 Millionen russischen Toten erkauft. Ihre Soldaten hatten andere Länder von den Nationalsozialisten befreit, doch jetzt fiel der Schatten des Kreml auf mehr als 100 Millionen Menschen jenseits der russischen Grenzen. Kennan rechnete damit, dass die Sowjets ihre Eroberungen mit brutaler Härte verteidigen würden. Er hatte das Weiße Haus gewarnt, sich auf die entscheidende Kraftprobe vorzubereiten.
    Wenige Tage bevor Bedell Smith in Moskau landete, gab Kennan das berühmteste Telegramm in der Geschichte der amerikanischen Diplomatie auf, das so genannte lange Telegramm, in dem er mit 8000 Wörtern den sowjetischen Verfolgungswahn plastisch schilderte. Kennans Leser – zuerst waren es nur wenige, dann Millionen – stürzten sich, so scheint es, ausnahmslos auf eine einzige Zeile: Die Sowjets seien taub für eine Logik der Vernunft, aber höchst empfänglich für »die Logik der Gewalt«. Im Handumdrehen erwarb sich Kennan den Ruf des größten Kreml-Experten der amerikanischen Regierung. »Aufgrund unserer Kriegserfahrungen«, so Kennans Überlegung viele Jahre später, »hatten wir uns daran gewöhnt, einen
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