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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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die Nationalsozialisten, ganz Europa aneignen wollten – und dann bis ans östliche Mittelmeer, den Persischen Golf sowie nach Nordchina und Korea vorstoßen würden. Ein einziger falscher Schritt konnte zu einer Konfrontation führen, die nicht mehr in Schranken zu halten wäre. Und während die Angst vor einem neuen Krieg wuchs, spalteten sich die späteren Führungskräfte des US-Nachrichtendienstes in zwei gegnerische Lager auf.
    Im einen glaubte man an das bedächtige und geduldige Sammeln von Geheiminformationen durch Spionage. Im anderen glaubte man an den Geheimkrieg, an die Möglichkeit, durch verdeckte Aktionen den Kampf ins Lager des Feindes zu tragen. Spionage will die Welt erkennen. Dafür stand Richard Helms. Verdeckte Aktion will die Welt verändern. Dafür stand später Frank Wisner.
    Wisner war der charmante Sohn reicher Großgrundbesitzer aus Mississippi, ein forscher Wirtschaftsanwalt in maßgeschneiderter Militäruniform. Im September 1944 flog er in die rumänische Hauptstadt Bukarest und übernahm dort den Posten des neuen Chefs des OSS-Büros. Kontrolliert wurde die Stadt damals von der Roten Armee und einer kleinen amerikanischen Militärmission, und Wisner hatte den Auftrag, die Russen im Auge zu behalten. Er schwelgte in seinem Ruhm, konspirierte mit dem jungen König Michael, plante Rettungsaktionen für abgeschossene alliierte Piloten und requirierte die 30-Zimmer-Villa eines Bukarester Bierbarons. Unter glitzernden Kronleuchtern verbrüderten sich dort russische und amerikanische Offiziere und prosteten sich mit Champagner zu. Wisner war völlig aus dem Häuschen – als einer der ersten OSS-Männer konnte er mit den Russen einen heben – und berichtete voller Stolz der Zentrale, er habe eine erfolgreiche Verbindung zum sowjetischen Geheimdienst hergestellt.
    Dabei war er noch nicht einmal ein Jahr lang ein amerikanischer Spion. Die Russen dagegen waren seit zwei Jahrhunderten im Geschäft. Im OSS hatten sie bereits ihre Agenten gut platziert und drangen nun rasch in den Kreis von Wisners rumänischen Verbündeten und Agenten ein. Als der Winter zur Hälfte vorüber war, übernahmen sie die Kontrolle über die Hauptstadt, trieben Zehntausende Rumänen deutscher Abstammung in Eisenbahnwaggons und verbrachten sie in den Osten, wo Zwangsarbeit oder der Tod sie erwartete. Wisner musste zusehen, wie 27 Güterwagen mit menschlicher Ladung Rumänien verließen. Die Erinnerung daran verfolgte ihn sein Leben lang.
    Als er im OSS-Hauptquartier in Deutschland eintraf, war er ein zutiefst verstörter Mensch, und er und Helms wurden unfreiwillige Verbündete. Im Dezember 1945 flogen sie gemeinsam nach Washington, und beim Gespräch während der 18-stündigen Reise wurde ihnen klar, dass sie nicht im Geringsten wussten, ob die Vereinigten Staaten nach ihrer Landung noch einen Geheimdienst haben würden.
    »Eine offenkundige Zwitterorganisation«
    In Washington gewann der Kampf um die Zukunft des amerikanischen Nachrichtendienstes an Schärfe. Der Vereinigte Generalstab stritt für eine ihm direkt unterstellte Organisation. Heer und Marine forderten eigene Dienste. J. Edgar Hoover wollte die weltweite Spionage dem FBI übertragen. Das Außenministerium versuchte, die Sache selbst in die Hand zu bekommen. Sogar der Postminister meldete seinen Anspruch an.
    General Magruder brachte das Problem auf den Punkt: »Nachrichtendienstliche Geheimoperationen bedeuten einen ständigen Verstoß gegen Regeln und Vorschriften. Um es unumwunden zu sagen: Solche Operationen sind zwangsläufig außerlegal, manchmal auch illegal.« Überzeugend legte er dar, dass weder Pentagon noch State Department es riskieren könnten, solche Aufträge durchzuführen. Übernehmen müsse das ein neuer Geheimdienst.
    Aber mittlerweile gab es fast keine Mitarbeiter mehr. »Die Auslandsaufklärung war praktisch zum Erliegen gekommen«, so Colonel Bill Quinn, Magruders Bevollmächtigter in der SSU. Fünf Sechstel der OSS-Veteranen waren in ihr früheres Leben zurückgekehrt. In den Überbleibseln des amerikanischen Nachrichtendienstes, so Helms, sahen sie »etwas, das sichtlich zusammengepfuscht und für den Augenblick geschaffen war, eine offenkundige Zwitterorganisation mit unvorhersehbarer Lebenserwartung«. In drei Monaten sank ihre Zahl um fast 10 000, das heißt bis Ende 1945 auf 1967 Mann. Die Büros in London, Paris, Rom, Wien, Madrid, Lissabon und Stockholm verloren fast alle ihre Mitarbeiter. Von 23 Stützpunkten in Asien
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