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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
Autoren: Thomas Thiemeyer
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mir die Papiere, auf der Stelle. Und dann gehen Sie.«
    »Ich glaube, Sie verkennen die Situation. Ich brauche diese Notizen und ich werde sie an mich nehmen, ob Ihnen das nun passt oder nicht. Sie haben einen großen Fehler gemacht, sie mir vorzuenthalten. Damit haben Sie sich einen Feind geschaffen anstelle eines Verbündeten, und das in einem Land, das mit dem Ihren nicht gerade gute diplomatische Kontakte pflegt.«
    »Wollen Sie mir drohen?« Lacombes Gesicht war puterrot angelaufen. »Hier, in meinen eigenen vier Wänden? Sie sollten sich lieber vorsehen.« Er machte einen schnellen Schritt zur Seite und packte seinen Degen, der griffbereit in der Ecke neben dem Schrank stand. Es war eine Pallasch, eine breitere Variante des klassischen Degens, die hervorragend als Schlagwaffe eingesetzt werden konnte. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog Lacombe die Klinge heraus und richtete sie auf den Engländer. »Und jetzt geben Sie mir mein Eigentum zurück.«
    Wilson ließ ein Haifischlächeln aufblitzen und schlug seinen Mantel zur Seite. Dort hing sein Degen.
    Die Augen des Franzosen wurden größer. Allmählich schien er zu begreifen, dass es nicht so einfach werden würde.
    »Bitte, Monsieur, tun Sie das nicht.«
    Wilsons Lächeln war wie eingemeißelt. Er zog seinen Degen und richtete ihn auf den Franzosen. Die Klingen trafen mit einem hellen Klang aufeinander.
    »Ich muss Sie warnen, Monsieur!«, zischte Lacombe. »Ich habe unter Napoleon ein Offizierspatent erworben und war 1870 an der Schlacht von Sedan beteiligt.«
    »Die die Franzosen mit Pauken und Trompeten verloren haben, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Wilson. »Außerdem ist das Ganze über zwanzig Jahre her. Ich frage mich, ob Ihr Degen in dieser Zeit nicht ein wenig eingerostet ist.«
    Er führte einen kleinen Scheinangriff durch und ging dann wieder in Ausgangshaltung. »Zumindest Ihre Reflexe sind noch gut«, konstatierte er. »Wollen sehen, wie es mit dem Rest bestellt ist. En Garde.« Er nahm Kampfposition ein.
    Wilson kannte sich in der Geschichte dieses Kampfsports gut genug aus, um zu wissen, worauf in den Fechtschulen der französischen Armee Wert gelegt wurde. Lacombe versuchte, ihn auf Abstand zu halten. Ausfall, Schritt zurück. Ausfall, Schritt zurück. Sehr elegant zwar und auf offenem Feld gewiss recht wirkungsvoll, aber in einem beengten Raum wie diesem geradezu fahrlässig. Wilson hingegen ließ seinen Gegner so dicht wie möglich herankommen, während er aufpasste, dass er nach hinten immer genug Ausweichmöglichkeit hatte. Er konterte den letzten Ausfallschritt mit einer Ligade, bei der sein Degen in der Vorwärtsbewegung einen Kreis beschrieb und an der Klinge des Gegners entlangstrich. Lacombe, der viel zu weit hinten stand, rempelte mit dem Fuß gegen einen Stuhl und kam ins Straucheln. Um seinen Fehler auszugleichen, sprang er schnell zur Seite und entwischte ins angrenzende Arbeitszimmer. Für seine fünfundvierzig Jahre war er immer noch recht behände, doch es mangelte ihm an Kraft. Ein Vorteil, über den Wilson im Übermaß verfügte. Er holte zu einer Sforza aus, um Lacombe seine Klinge aus der Hand zu schlagen. Dabei verfehlte er sie knapp und fegte stattdessen das Teleskop vom Tisch. Splitternd und berstend ging es zu Bruch. Lacombe stieß einen Wutschrei aus und drang erneut auf Wilson ein. Mit wilden, unkontrollierten Schlägen versuchte er sich für die Zerstörung seines wertvollen Instruments zu rächen, doch seine Angriffe waren ebenso vorhersehbar wie sinnlos. Mit einer blitzschnellen Cavation umging Wilson den Prügelhagel, lenkte die Schläge zur Seite und zwang seinen Gegner dazu, sich vollkommen zu verausgaben.
    Dann ging alles sehr schnell.
    François Lacombe versuchte eine Flèche, geriet beim Abrollen ins Straucheln und stürzte Wilson in die offene Klinge. Er gab einen überraschten Laut von sich, dann kippte er zur Seite. Der Degen steckte bis zum Heft in der Brust des Franzosen.
    Wilson zog seine Waffe heraus, wischte die Klinge an Lacombes Rock ab und steckte sie zurück in ihr Futteral. Ohne seinen Gegner eines weiteren Blickes zu würdigen, öffnete er die Tür.
    Draußen stand Philby, die Augen vor Angst weit aufgerissen.
    »Sir Wilson?« Er blickte auf den am Boden liegenden Franzosen. »Ich hörte Lärm. Mein Gott, was ist denn geschehen?«
    »Eine Ehrensache«, erwiderte der Forscher. »Wir unterhielten uns, als Monsieur Lacombe ausfällig wurde. Er erdreistete sich, den Namen der Königin zu
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