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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
Autoren: Anne Rice
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Altar hatte liegen sehen. Dass dieses Ding hier lebendig gewesen war, lag bei weitem nicht so lange zurück, und was meine Nase mir nicht hatte verraten wollen, bemerkte ich nun: Diese Hand war einbalsamiert worden, ehe man sie abtrennte. Die dazu nötige Flüssigkeit produzierte den leicht giftigen Geruch, obwohl sie schon längst verdunstet war. Übrig blieb die Hand, wie wir sie hier sahen - fleischigweich, eingeschrumpft und verkrampft.
    »Erkennst du das, David?«, fragte Merrick mich ernst. Eisige Kälte legte sich über mich, während ich sie ansah. »Ich schnitt sie von deinem Körper, David«, sagte sie. »Ich nahm sie, weil ich dich nicht loslassen wollte.«
    Lestat stieß ein kurzes Lachen aus, irgendwie zärtlich und leicht amüsiert. Ich glaube, Louis war zu schockiert zum Sprechen. Und ich, ich konnte auc h nichts sagen. Ich glotzte die Hand an. Ihre Innenfläche war mit einer ganzen Reihe von Worten beschrie ben. Ich wusste, dass es Koptisch war, das ich jedoch nicht lesen konnte.
    »Es ist ein alter Zauberspruch, David. Er bindet dich, so dass du zu mir kommen musst, er bindet die Geister, damit sie dich zu mir treiben. Er bindet sie derart, dass sie deine Träume und deine wachen Stunden mit Gedanken an mich erfüllen. Und so, wie der Zauber an Macht gewinnt, löscht er alle anderen Wünsche aus, und schließlich gibt es nur noch eine Obsession zu mir zu kommen. Nichts sonst kann dir mehr genügen.« Diesmal huschte Louis ein kleines anerkennendes Lächeln über das Gesicht.
    Lestat lehnte sich zurück und betrachtete das bemerkenswerte Objekt nur mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem reuigen Lächeln.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das kann ich so nicht akzeptieren!«, flüsterte ich. »Du hattest keine Chance dagegen, David«, beteuerte sie. »Du hast keine Schuld, nicht im Mindesten, genau wie Louis keine Schuld an dem hat, was mir letztendlich widerfuhr.«
    »Nein, Merrick«, sagte Louis sanft. »Ich habe zu oft echte Liebe gekannt, um meine Gefühle für dich anzuzweifeln.«
    »Was bedeutet dieses Gekritzel denn?«, fragte ich verärgert. »Dort steht ein Teil dessen«, antwortete sie, »was ich schon unzählige Male rezitiert habe, wenn ich meine Geister rief, eben die Geister, die ich in jener Nacht auch für Louis und dich anrief. Es bedeutet: Ich befehle euch, in seiner Seele ein verzehrendes Feuer für mich zu entzünden, seinen Geist und sein Herz, seine Nächte und Tage mit unbarmherzig quälender Sehnsucht nach mir zu erfüllen, seine Träume mit Bildern von mir zu überschwemmen, und wenn er an mich denkt, sollen weder Essen noch Trinken ihm Erleichterung bringen, bis er zu mir zurückgekehrt ist, bis er mir ge genübersteht, bis ich jede Macht, die mir gehorcht, nutzen kann, wenn wir miteinander sprechen. Schenkt ihm keinen Augenblick Ruhe, lasst ihn keinen Augenblick los.«
    »Aber so war es nicht«, wandte ich ein. Merrick fuhr fort, leiser, die Stimme freundlicher: »Er sei mir sklavisch ergeben, er sei der treue Diener meiner Pläne. Möge er keine Kraft haben, mir zu verweigern, was ich euch, meinen großen, getreuen Geistern, anbefohlen habe. Möge sich das Schicksal erfüllen, das ich aus eigener Kraft für ihn bestimmt habe.«
    Sie schwieg, bis die Stille den Raum erfüllte. Nichts hörte ich in diesem Moment außer einem leisen, verstohlenen Lachen von Lestat. Aber es war kein spöttisches Lachen. Es zeugte nur von beredtem Staunen, und dann sagte er:
    »Und so habt ihr also eure Absolution erhalten, meine Herren. Warum akzeptiert ihr es nicht, akzeptiert es als ein wahrhaft unbezahlbares Geschenk, das Merrick euch mit Recht machen darf?«
    »Durch nichts kann mir je Absolution zuteil werden«, sagte Louis. »Das müsst ihr selbst entscheiden, ihr beiden, wenn ihr unbedingt die Verantwortung übernehmen wollt«, sagte Merrick. »Und dieses hier, dieses Überbleibsel von deinem Leichnam, David, das werde ich der Erde zurückgeben. Aber eins lasst mich noch sagen, ehe ich dieses Thema um eurer beider Gefühle willen abschließe - jemand hatte diese Zukunft vorausgesagt.«
    »Wer denn? Und wie?«, wollte ich wissen.
    »Ein alter Mann«, sagte sie und richtete ihre Worte speziell an mich, »der im Speisezimmer meines Hauses zu sitzen und die Sonntagsmesse zu hören pflegte, ein alter Mann mit einer goldenen Taschenuhr, die mir lieb und wert war, und der zu mir sagte, dass diese Uhr nicht für mich ticke.« Ich stöhnte leise auf und flüsterte: »Onkel Vervain.«
    »Mehr
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