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Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Autoren: Gillian Philip
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Gedanken drehten sich im Kreis. Wenn wenigstens Sinead bei mir gewesen wäre. Ich fiel in einen leichten, unruhigen Schlaf, der anfällig für jedes Geräusch und jede fremde Bewegung war.
    Stirnrunzelnd setzte ich mich auf. Mein Kopf war vollkommen klar, aber es verwunderte mich, dass auch noch jemand anders einen vollkommen klaren Kopf zu haben schien. Offenbar hatte ich auf der Feier etwas übersehen oder missverstanden und das ärgerte und verwirrte mich. Natürlich musste ich aufstehen, um nachzusehen. Jeder andere hätte das an meiner Stelle getan.
    Zumindest jeder, der auch nur halbwegs Grips hatte.
    Ich war allein, aber das kam mir gelegen. Zu zweit lautlos zu schleichen ist so gut wie unmöglich, wenn man nicht erwischt werden will. Das wusste ich instinktiv und ich hatte es mir schon selbst bewiesen, indem ich Fraser ein-, zweimal auf meine Streifzüge mitgenommen hatte, nur so zum Spaß. Fraser war weder dumm noch ungeschickt, er verstand nur nicht, wie wichtig es war, nicht gesehen zu werden. Er langweilte sich schnell, atmete oder bewegte sich im falschen Moment, oder es kümmerte ihn einfach nicht, ob ein Wachmann uns beim Lauschen erwischte. Nach ein paar misslungenen Versuche n – deren Misserfolg ich Fraser anlastete, nicht den Wache n – nahm ich ihn nicht mehr mit. Ich mochte Fraser, aber das bedeutete nicht, dass wir alles gemeinsam machen mussten, und ich war sowieso am liebsten allein unterwegs. Fox wiederum hätte ich schon mitgenommen, weil der sich jeden Augenblick seines Lebens in Stille hüllte wie in weiche Kleider. Er war gar nicht in der Lage, laute Geräusche zu erzeugen. Fox hätte ich überallhin mitgenommen. Nur dass Fox nicht dumm genug war mitzukommen.
    Es war ungewöhnlich still in den Hallen und Gängen der Festung. Normalerweise hörte man des Nachts, vor allem nach solchen Gelagen, immer ein paar Leute, die ins Bett wankten oder zu einem Bettgefährten oder einem Nachttrunk. Ich hatte damit gerechnet, Wachen ausweichen zu müssen, oder schlimmer: der übellaunigen Fiona, deren Reich die Küche war. Aber niemand regte sich, niemand gab einen Laut von sich, niemand atmete. Das gefiel mir nicht. Wenn hier keiner unterwegs war, was hatte ich dann vorhin gehört?
    Ich fühlte sie, noch bevor ich sie sah, und ich erstarrte auf der Stelle. Ich hatte nie herausgefunden, warum Leonora mich nicht gleich nach meiner Ankunft auf dem Hof hatte umbringen lassen, und ich war mir nicht sicher, ob ihre Entscheidung wirklich endgültig war. Als Kind hätte ich es nie zugegeben, aber sie machte mir Angst. Und das Komische war, dass ich ihr vermutlich auch Angst machte, wenn auch nicht auf die gleiche Art und Weise.
    Mir fiel auf, dass ich die alte Hexe nicht mehr gesehen hatte, seit sie im Festsaal nach Musik verlangt hatte. Irgendwann hatte sie sich wohl unbemerkt hinausgeschlichen, wie sie es oft tat, und jetzt tauchte sie plötzlich hier auf. Lautlos verließ sie die Küche. Ich hatte keine Ahnung, was sie dort zu suchen gehabt hatt e – nagender Hunger konnte sie jedenfalls nicht in die Küche getrieben haben, es sei denn, sie ernährte sich von Fuchs- oder Fledermausblut, denn außer dem Duft der Nacht nahm ich keinen Geruch an ihr wahr. Leonora war draußen gewesen, und es konnte noch nicht allzu lange her sein, ich konnte es riechen, ich roch das Moor. Aber ich hätte beim besten Willen nicht sagen können, wie und warum sie auf dem Weg zurück ins Haus einen Umweg über die Vorratskammern gemacht hatte.
    Fast hätte ich die Nerven verloren und wäre in mein Zimmer zurückgeeilt, aber ich hatte Glück: Leonora bemerkte meine Anwesenheit nicht. Eifrig wischte sie sich Spinnweben und Erde vom üppig bestickten Gewand und schwebte eine Armeslänge von meinem Versteck entfernt an mir vorbei in Richtung Treppe, die zum Westflügel der Festung führte.
    Ja, natürlich hätte ich spätestens in diesem Augenblick zurück in mein Zimmer gehen müssen. Nein, natürlich tat ich es nicht. Bestimmt wollte Leonora zu den Nachtwandlern. Selbstverständlich musste ich ihr folgen. Wie alle Dummköpfe dachte auch ich, dass ich sterben würde, wenn ich nicht herausfand, was da vor sich ging. Und schnell sollte sich meine Neugier als gerechtfertigt erweisen. Leonora bog um die Ecke in den Gang, der zu ihren Gemächern führte. Ich schlich ihr nac h – und erblickte Lilith.
    Ein paar wahnsinnige Sekunden lang dachte ich, hier würde gleich ein Mord stattfinden; dann sah ich auch die anderen. Der Raum war
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