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Chimären

Chimären

Titel: Chimären
Autoren: Alexander Kröger
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ließen.
      Langsam umrundete Shirley im Schutz des Gebüschs den Platz auf das Kassenhäuschen zu, verharrte im Winkel zwischen diesem und der Mauer des Vorwerks.
      Um die Brücke, den Zugang zur schmalen Festungsstraße, zu erreichen, musste sie an der Kasse vorbei, ungedeckt und von der gegenüberliegenden Seite, dort, wo sie den Posten wusste, wahrzunehmen.
      Sie robbte am Häuschen vorbei, jeden Augenblick gewärtig, dass sich etwas ereignete, ein Ruf oder Schuss gar.
      Aber entweder war die Aufmerksamkeit der Beobachter erlahmt, oder… Es tat sich jedenfalls nichts.
      Shirley erreichte die Holzbrücke, kroch über sie hinweg, grobes und klitschiges Pflaster empfing sie auf der anderen Seite – und ein bedrohliches Knurren.
      Den Verursacher dieses Geräusches sah sie nicht, noch nicht.
      Shirley richtete sich auf, ging noch immer gebückt einen Schritt bis zum Pfeiler. In der Ecke zwischen diesem und der aufwärts führenden Randmauer der Straße stand ein Schäferhund zähnefletschend mit aufgerichtetem Nackenhaar. Sein Knurren wurde deutlicher.
      Auf eine derartige Begegnung war Shirley natürlich gefasst. Sie fauchte den Wächter gedämpft, jedoch heftig an: „Willst du wohl! Hast du deine Witterung verloren? Erkennst du mich nicht?“ Sie streifte sich den Kopfschutz ab.
      Als sich ihre blonden Haare bauschig auflockerten, wich der Canismute zurück und schloss die Lefzen.
      „Also, pass auf: Ich gehe jetzt nach oben und du wirst mich nicht hindern! Ich bin unbewaffnet.“ Wie zum Beweis drehte sie dem Geschöpf die Handflächen zu. „Ich muss mit Lux sprechen, es ist für euch alle wichtig. Also!“ Sie machte Anstalten, den Berg emporzusteigen.
      Der Wächter schickte sich an, sie nach oben zu begleiten.
      „Nein, nein“, wehrte Shirley strikt ab. „Da drüben…“, sie hob knapp die Hand und wies dorthin, „sitzen sie. Du bleibst hier und passt auf. Man weiß nicht, was sie vorhaben.“
      Er setzte sich auf die Hinterläufe und blieb zurück.
      Shirley wusste, dass jener außer Stande sein würde, ihr Kommen mit irgendwelchen technischen Hilfsmitteln anzukündigen. Sie hatte sich nicht geirrt, eine andere Möglichkeit jedoch unbedacht belassen: Ein langgezogener Heulton erscholl hinter ihr.
      Sie fuhr herum. „Bist du verrückt? Du verrätst denen mein Hiersein, verdammt!“
      Der Gescholtene duckte sich und zog den Schwanz ein.
      Shirley ließ dennoch alle Vorsicht walten, als sie eng an der Mauer die schmale Straße emporstieg. Wenn nunmehr Matenstock schon wusste, dass jemand in die Festung eingestiegen ist, musste es nicht sein, dass er noch sofort erfuhr, wer es ist. ,Obwohl, über kurz oder lang wird er es vermuten’, dachte Shirley. ,Dann wird er nachforschen lassen… Aber beweisen wird er es zunächst nicht können.’ Plötzlich wurde es ihr heiß – und nicht nur vom Steigen. Ihr fiel ein möglicher Trugschluss ein: ,Er muss ja erfahren, dass sein Plan, schon Sonntag früh… Oder muss er es nicht?’ Gedankenvoll näherte sich die Frau dem Haupttor – und wurde gleich von drei der Canismuten im Empfang genommen. Zwei eskortierten sie, einer ging hinter ihr. Und sie gehorchte willfährig, als sie deutlich genötigt wurde, in die dunkle, weiter nach oben führende Appareille einzutreten.
    O berwachtmeister Rainer Lehrig lag auf der Isoliermatte und starrte über sich ins Blätterdach. Der Rauch seiner Zigarette kräuselte durch dessen Lücken. Wachtmeister Walter Mann saß neben ihm und las „Mordverdacht“. Sie hatten vor einer Viertelstunde den Nachtposten abgelöst und sich halbwegs unter dem Gebüsch eingerichtet.
      „Ein Scheißjob“, kommentierte Rainer Lehrig und kuschelte sich enger in seine Decke. „Scheißwetter. Siebenundzwanzig Grad haben sie gemeldet. Höchstens siebzehn sind es.“
      Walter Mann antwortete nicht.
      „Wieder ein Wochenende futsch. Vorige Woche das Fußballspiel, jetzt das hier. ‘s wird Zeit, dass das aufhört. Oder macht es dir vielleicht Spaß?“, maulte Rainer Lehrig weiter.
      „Wem soll das schon Spaß machen!“, brummelte der Gefragte. „Heike hat morgen Geburtstag. Den kann ich mir abschreiben.“
      „Ich frage mich, wer hier schon hochkommen soll. Unten steh’n überall Schilder, dass geschlossen ist.“
      „Vielleicht kommt von oben einer runter. Vier Mann sollen sie dort festhalten. Ist ja möglich, dass sie gelegentlich einen laufen lassen. Ich kann mir das
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