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Chili und Schokolade

Chili und Schokolade

Titel: Chili und Schokolade
Autoren: Lilli Beck
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heraus. «Oscar ist tot!»
    «Oh, Mami, wie furchtbar. War er krank?», fragt Jens nach einer Schrecksekunde.
    Ich muss mir erst die Nase putzen. «Nein, er wurde überfahren, als er einer läufigen Hündin nachlief.»
    Dann trösten mich beide gleichzeitig und einstimmig, wie es typisch für sie ist. «Der arme Oscar, aber bestimmt sitzt er jetzt im Hundehimmel, hat eine große Wurst im Maul und ist happy. Also sei nicht traurig.»
    Allein mit meinen Söhnen zu sprechen, hilft mir mehr, als es Konrad je gekonnt hätte. «Ach, erzählt mir lieber, was es bei euch Neues gibt», erkundige ich mich.
    «Also, hm … wir rufen eigentlich wegen Weihnachten an …», beginnt Jens, und Timo beendet den Satz. «Wir sind nämlich auf einer superschicken Party eingeladen.»
    «Wieso Weihnachten?», frage ich verständnislos. «Es ist Anfang Oktober.»
    «Ja, genau», antworten beide wieder gemeinsam, und dann fährt Timo fort. «Wir wollten nur rechtzeitig Bescheid sagen, damit du planen kannst. Wir werden über die Feiertage wohl nicht nach Hause kommen.»
    «Und das wisst ihr jetzt schon?» Ich bin wirklich sehr enttäuscht.
    Timo erklärt mir, dass sie von wichtigen Modeleuten eingeladen wurden. «Das ist eine super Chance für uns, die Stars der Szene kennenzulernen. Dolce und Gabbana haben ausgedient, jetzt kommen wir: JETI ! So wird nämlich unser Modelabel heißen! Wie findest du den Namen, Mami?»
    Es gelingt mir, ein Seufzen zu unterdrücken. Die Ambitionen meiner Jungs überraschen mich immer wieder. «Gefällt mir sehr gut, ehrlich. Ich wünsche euch, dass ihr noch erfolgreicher werdet als die beiden Italiener.»
    «Weißt du was, Mami?», sagt Timo. «Wieso kommst du nicht einfach mal her? Also, halte mich jetzt bitte nicht für gefühllos, aber wo du nun keinen Hund mehr zu versorgen hast und uns auch nicht, hast du doch endlich etwas mehr Zeit!»
    Jens ergänzt noch: «Papi ist doch sicher rund um die Uhr beschäftigt, warum besuchst du uns nicht mal für ein Wochenende in London? Wir könnten dir die Stadt zeigen, im Ritz den 5-Uhr-Tee nehmen oder an die Küste nach Brighton fahren. Oder noch besser: Wir machen einen Zug durch die coolen Modeboutiquen und kleiden dich komplett neu ein.»
    Im ersten Moment will ich protestieren. Doch dann wird mir bewusst, dass meine Kinder mich nur trösten wollen. Durch Modeläden zu ziehen gehört nun mal zu ihren Lieblingsbeschäftigungen.
    Die beiden erzählen mir noch von ihren neuesten Erfahrungen in der englischen Metropole, bis wir uns schließlich verabschieden und ich versprechen muss, über einen Besuch nachzudenken.
    Nach dem Telefonat geht es mir besser. Meine süßen Jungs laden mich zu einem Besuch ein … Gerührt gehe ich ihren Vater suchen, um ihm davon zu erzählen. (Ihren Vorschlag, mich neu einzukleiden, werde ich aber nicht erwähnen. Konrad mag mich nur in dezenter, klassischer Kleidung.)
    Doch mein Mann ist verschwunden. Er hat nur schmutziges Geschirr und die zerfledderte Zeitung hinterlassen. Ich nehme an, dass er im Büro sein wird. Wie so oft an den Wochenenden. Die Arbeit an Dr. Preysings neuem Firmengebäude nimmt ihn extrem in Anspruch. Vor heute Abend kommt er sicher nicht zurück. Für mich heißt das: Wieder einen Tag alleine verbringen.
    Was fange ich jetzt nur mit mir an? Die Betten sind frisch bezogen, die Kissen auf den Sofas glatt gestrichen, die Decken dekorativ drapiert. Das Haus erstrahlt in vorbildlicher Ordnung. Es sieht aus, als würde es gleich für eine edle Wohnzeitschrift fotografiert. Ich muss auch nichts kochen oder vorbereiten. Ob ich ein neues Kuchenrezept ausprobieren sollte? Aber wer würde den Kuchen essen? Oder sollte ich Trixi anrufen? Vielleicht ist jetzt die richtige Zeit, um honigblond zu werden? Nicht mal Oscar kann ich mehr Gassi führen. Dieser Gedanke ist genauso unerträglich wie die Stille im Haus. Es sieht nach einem schrecklich einsamen Wochenende aus, murmle ich traurig vor mich hin, als ich Konrads Frühstücksreste vom Tablett räume und das Geschirr in die Spülmaschine einsortiere.
    Nach einer heißen Dusche schlüpfe ich in meinen bequemen beigen Hausanzug und bereite mir einen Tee zu. Hunger habe ich immer noch keinen.
    Während ich an meiner Tasse nippe, blättere ich die von Konrad zerknitterte Wochenendzeitung durch. Vielleicht lenkt mich der Reiseteil etwas von meinem Verlust ab. Ob ich meine Söhne tatsächlich besuchen sollte?
    Nein, ich brauche etwas, das mich nicht nur eine Woche beschäftigt.
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