Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling
Autoren: Michael Boccacino
Vom Netzwerk:
hinterließen.
    »Markham!«, brüllte er uns nach. James blickte ängstlich auf.
    »Wohin gehen wir?«
    »Schnell, zur Bibliothek!«, erwiderte ich. Wir bogen in einen Korridor ein, und ich hielt erschrocken inne. Vor mir war eine der verschwommenen Figuren, die im Ballsaal um mich herumgestanden waren. Sie wurde nun deutlicher mit jedem Blutstropfen, den ich verlor. Es war meine Mutter, die am Ende des Ganges stand, in Betttücher gehüllt und mit verkrustetem blutigem Schleim unter dem Kinn.
    »Mutter   …?«
    »Deine Zeit ist jetzt gekommen, mein Liebling.« Sie lächelte und breitete die Arme aus. Aber ich glaube nicht, dass jemand außer mir sie sah, denn Henry zerrte mich mit sich, als die Jungs in die Bücherei voraneilten.
    »Bleib bei uns, Charlotte!« Wir stürzten in den Raum und verriegelten die Tür hinter uns. Ich wollte zu ihnen umkehren, aber meine Verwirrung wurde immer größer. Ich versuchte, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren – ich musste die Darrows retten. Ich musste mich selbst retten.
    »Das Ende ist nah, mein Pfefferkorn.« Ich sah meinen Vater in dem grünen Lederlehnsessel im ersten Geschoss der Bibliothek, in dem Lily so gern gesessen hatte. Er hielt seine Pfeife in der Hand, und der Rauch schwebte über seinem Kopf. Ich wollte zu ihm laufen, mich auf seinen Schoß setzen, mich an seiner Schulter ausweinen, mir von ihm den schrecklichen Schmerz in meiner Brust fortküssen lassen, aber stattdessen setzte ich meinen Weg fort.
    »Die Treppe hinauf und in das Arbeitszimmer!« Ich konnte kaum sprechen und mich auf den Beinen halten. Der Schmerz pochte mit jedem einzelnen Herzschlag. Ich fragte mich plötzlich, was geschehen würde, wenn ich kein Blut mehr zu vergießen hatte.
    Als wir das dritte Geschoss umrundeten, rammte Whatley heftig gegen die Tür und riss sie aus den Angeln. »Ein neues Spiel? Wie aufregend! Eine kleine Verfolgungsjagd also!«
    Sein Körper zuckte und spannte sich in seinem Anzug, bis er den Stoff und die Fassade aus menschlicher Haut darunter in Fetzen riss. Seine mächtigen Gliedmaßen und Auswüchse befreiten sich aus der Enge der menschlichen Umhüllung. Er streckte sich und sprang an die Wand. Er konnte mit seinen vielen Gliedern die Bücherregale wie eine Treppe benutzen. Ich drängte die Darrows zur Eile.
    »Schnell, wir sind fast da!«
    Als wir die Tür zu Whatleys Arbeitszimmer erreichten, holte ich den silbernen Schlüssel heraus, den mir Lily gegeben hatte, und steckte ihn in das Schlüsselloch. Es klickte, als ich ihn drehte, und die Tür öffnete sich, gerade als Whatley die Brücke erreichte. Die Darrows und ich stolperten hinein und schlossen die Tür, bevor Mr. Whatley heran war.
    Der Raum war wie immer; still und düster, wie ein Mausoleum. Wir liefen an Mr. Whatleys Emotionen vorbei zu seiner Sammlung von schwach leuchtenden Glasporträts. Ich führte die Jungs zu dem Glas, auf dem Everton abgebildet war, und küsste sie beide auf die Wange.
    »Seid für mich stark«, sagte ich zu ihnen. James berührte das Bild mit der Hand und fiel hindurch auf die andere Seite wie über eine niedrige Mauer. Paul folgte ihm.
    »Nach dir«, sagte Henry.
    »Ich kann nicht.«
    »Natürlich kannst du.«
    »Jemand muss hier bleiben und das Bild zerstören. Nur so können wir sicher sein, dass er nie mehr wiederkommt.« Henry riss die Augen auf und fuhr sich mit den Händen durch das blonde Haar.
    »Das werde ich nicht erlauben, Charlotte. Ich habe bereits Lily verloren   …«
    »Ihre Kinder brauchen dich, Henry.«
    »Und ich brauche dich!«
    »Aber das ist nicht möglich.« Ich nahm die Hand von meiner Brust. Die Wunde blutete nicht mehr. Ich fühlte mich auch nicht mehr so schwach wie zuvor.
    »Ich schaffe das nicht noch einmal, Charlotte.«
    »Das kannst du und das wirst du.«
    »Ein gemeinsames Leben wartet auf uns!«
    »Wenn es einen Weg zurück für mich gibt, werde ich ihn finden.«
    Whatley brach die Tür auf.
    »Markham!«
    »Lebe wohl, Henry.« Ich gab ihm einen festen Stoß, dass er rückwärts durch das Glasbild fiel. Ich konnte sehen, wie ihm drüben die Kinder hochhalfen, sah ihn bestürzt dastehen, todunglücklich, mit Tränen in den Augen. Ich riss das Ding von der Wand und schmetterte es auf den Boden, wo es in Hunderte glitzernder Scherben zerbrach und die Verbindung zwischen Everton und der Endwelt beendete.
    »Gut gemacht.« Mr. Whatley beobachtete mich vom Eingang. Er hatte seine menschliche Maske wieder hergestellt, aber seine Kleidung hing
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher