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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde
Autoren: John Brunner
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stand ein Holzgerüst, auf dem sich ein hochgewachsener Vierschrötiger mit prallen Muskeln bereithielt, nackt bis auf eine schwarze Pumphose, schwarze Stiefel und eine schwarze Larve. In Abständen prüfte er mit dem Daumen die Schneide einer riesigen Axt.
    Hinter den nachgebauten Häusern, knapp außerhalb des Blickfelds, parkte eine vergoldete Karosse, vor die man vier sich vollständig gleichende Rappen gespannt hatte…
    Quaddel schaute ein zweites Mal hin. Die Pferde hielten unrealistisch still.
    Ach. Maschinen!
    »Ist das die Kulisse für den Film, den Sie drehen?« fragte er, wunderte sich darüber, daß Heutige, die so glaubhafte Pferdereplikate fabrizieren konnten, sich überhaupt mit etwas so veraltetem wie Kutschen abgaben – es sei denn natürlich, es geschähe im Interesse der »Authentizität«, über die Salvador Mundi sich so ausführlich geäußert hatte.
    »Klar«, bestätigte Gus. »Es ist immer der gleiche Scheißfilm. Der gleiche Streifen wie jede Scheißwoche… Tja, es ist wohl besser, ich schlüpfe nun in meine Rolle zurück. Wat muß ich so dun als wär ich ‘n Deutscher? Wat hab ich nich ein Akzent aussucht wo ich leicht sabbeln kann, so wat wie Irisch-Koffieshop-Slang, wat, alde Fründ?«
    »Immer der gleiche Film?« wiederholte Quaddel verstört. Unten strömte jetzt unter Führung junger Männer und Frauen, die an langen Stangen bunte Fahnen trugen, eine Menschenmenge auf den Platz. Viele dieser Menschen hatten Kleidung am Leib, die an westeuropäische Trachten des sechzehnten Jahrhunderts erinnerten, andere hingegen traten in Kostümen aus früheren Epochen sowie aus einem Dutzend verschiedener Länder auf: in Burnus, Sari und Toga.
    Harry stieß einen saftigen Fluch aus, vermutlich als Reaktion auf eine Mitteilung aus seinem nichtexistenten Funkgerät.
    »Sind sie noch immer nicht fertig?« wollte Gus wissen.
    »Nicht im entferntesten. Heute peilen sie siebenundsechzig Millionen an, sagen sie. Wir müssen zwischenlanden, um Sprit zu sparen.«
    »Ach du Scheiße! Ich meine: Ey wat ‘n Drieß.« Gus verschränkte die Arme und lehnte sich in einer Haltung in den Sessel, die man nur mit der an sich abgedroschenen Floskel »kochend vor Wut« bezeichnen konnte, während der Hubschrauber eine Kurve flog und neben der Karosse landete. Die Pferde waren eindeutig roboterähnliche Apparate: trotz des aufgewirbelten Staubs und des Lärms zuckte bei ihnen weder Schweif noch Schnauze.
    »Ich blicke nicht durch«, betonte Quaddel halsstarrig noch einmal, sprach in die plötzliche Stille, sobald der Motor schwieg. »Sie drehen immer wieder den gleichen Film?«
    »Wat? Ach so. Na sicher, die Holyrood-Story. Was fällt Ihnen bei dem Namen ein?«
    »Tja«, gestand Quaddel nach einem Moment ergebnislosen Grübelns, »ich muß gestehen… gar nichts.«
    »Wat denn, Menschenskind, hahm Se keene höhre Bildung jenossen?« schnarrte Gus auf preußische Manier. »Mensch, ich weiß ja«, sagte er gleich darauf, »daß viele Hollywood-Regisseure Deutsche waren, aber es ist wirklich ‘n tierischer Akzent, glauben Sie mir… Na, es geht natürlich um Maria Stuart, die Königin von Schottland.«
    »Wen?«
    »Sie wurde auf Befehl Königin Elisabeths von England hingerichtet. Sie war eine große, von Tragik umwobene Heldin. Schiller hat über sie ein Stück geschrieben. Sogar Opern gab’s mal zu dem Thema. Holyrood hieß der Königspalast in Edinburgh. Und die Yelignesen sind durch die Verwechslung mit dem Hollywood-Schriftzug auf die Holyrood-Episode mit Maria Stuart gekommen, sie haben bestimmt, daß alle Touristen, die hier aufkreuzen, die Holyrood-Story präsentiert kriegen. Das heißt für sie, sie dürfen in einem Film über Maria Stuart, Königin von Schottland, als Statisten mitspielen, gegen zusätzliche Gebühr eine kleinere stumme oder sogar eine Rolle mit Text übernehmen. Und der ganze Quark steht mir längst bis hier! Wir können uns nicht mal genügend Kostüme aus der richtigen Geschichtsperiode leisten, wir müssen alles verwenden, was nicht so modern ist, daß es lächerlich aussähe, egal wie zeitlich unpassend oder fremdländisch es ist. Ich meine, bedenken Sie doch mal, wie viele Pakistani in Schalwar und Entari haben sich wohl zur Zeit Maria Stuarts am schottischen Königshof in Edinburgh getummelt?«
    »Und das ist noch nicht das Schlimmste«, sagte Harry trübsinnig. »In Wahrheit ist Maria Stuart innerhalb von vier Wänden enthauptet worden, nur in Anwesenheit eines Kaplans und einer
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