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Chamäleon-Zauber

Titel: Chamäleon-Zauber
Autoren: Piers Anthony
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seine Mutter das Beet entdeckt hatte. Sie hatte die Getreideart augenblicklich erkannt.
    Es hatte sofort Familienärger gegeben. »Wie konntest du nur?« hatte Bianca mit flammendem Blick gefragt. Aber Roland hatte mühsam sein bewunderndes Lächeln unterdrückt. »Wildhafer zu säen!« hatte er gebrummt. »Der Junge wird erwachsen.«
    »Also Roland, du weißt doch wirklich gut genug, daß…«
    »Meine Liebe! Als wenn etwas Schlimmes dabei wäre!« »Nichts Schlimmes!« hatte sie wütend gerufen. »Es ist für einen jungen Mann völlig natürlich…« Aber ihr zorniger Ausdruck hatte Binks Vater zum Schweigen
    gebracht. Roland fürchtete nichts in Xanth, aber er war auch ein friedliebender Mensch. Roland seufzte und wandte sich zu Bink. »Ich nehme doch an, daß du gewußt hast, was du tust, mein Sohn?«
    Bink sah sich auf beschämende Weise in die Defensive gedrängt. »Na ja… Ja. Die Nymphe des Hafers…«
    »Bink!« hatte Bianca geschnappt. Er hatte sie noch nie zuvor so wütend erlebt.
    Roland hielt beruhigend die Hand hoch. »Meine Liebe – warum läßt du uns das nicht von Mann zu Mann klären, hm? Der Junge hat ein Recht darauf.«
    Und so hatte Roland seine eigene Voreingenommenheit verraten; wenn er mit Bink von Mann zu Mann redete, dann redete er in Wirklichkeit mit einem Jungen.
    Wortlos war Bianca aus dem Haus gestapft.
    Roland hatte sich Bink zugewandt und seinen Kopf geschüttelt. Aber es war nur eine halbherzige Verneinung. Roland war ein kräftiger, gutaussehender Mann und besaß einen großen Schatz an Gesten. »Echter Wildhafer, vom Halm gemäht, bei Vollmond gesät und mit deinem eigenen Urin gewässert?« fragte er offenherzig, und Bink nickte mit rot angelaufenem Gesicht. »So daß, wenn die Pflanze reif wird und die Hafernymphe sich manifestiert, sie an dich gebunden sein wird, an die Befruchtergestalt?«
    Bink nickte grimmig.
    »Mein Sohn, glaub mir, ich verstehe deine Fasziniertheit. Ich habe selbst Wildhafer gesät, als ich in deinem Alter war. Habe mir auch eine Nymphe beschafft, mit fließendem grünen Haar und einer Figur wie die großen Freiluft – aber ich hatte die
    Spezialbewässerung vergessen, da ist sie mir entkommen. Ich habe nie im Leben ein so schönes Wesen gesehen – außer deiner Mutter natürlich.«
    Roland hatte wilden Hafer gesät? Bink hatte sich so etwas noch nie vorgestellt. Er schwieg aus Furcht vor dem, was noch kommen mochte.
    »Ich habe den Fehler begangen, Bianca davon zu erzählen«, fuhr Roland fort. »Ich fürchte, das ist eine Art Reizthema für sie geworden, und jetzt mußt du es ausbaden. So etwas kommt vor.«
    Also war seine Mutter eifersüchtig auf etwas im Leben seines Vaters gewesen, das geschehen war, bevor sie geheiratet hatte. Wo Bink da nur unwillentlich hineingestolpert war!
    Roland blickte ihn ernst an. »Für einen jungen, unerfahrenen Mann mag die Vorstellung von einer lieblichen, nackten, gefangenen Nymphe äußerst reizvoll sein«, fuhr er fort. »Alle körperlichen Eigenschaften einer wirklichen Frau und keine ihrer geistigen. Aber, mein Sohn, das ist ein Kindertraum, wie der Bonbonbaum. Die Wirklichkeit wäre überhaupt nicht so, wie du sie dir vorgestellt hast. Man wird eben schon bald überfüttert. Man kann nicht endlos Bonbons essen – und so ist es auch mit einem geistlosen weiblichen Körper. Ein Mann kann keine Nymphe lieben. Sie könnte genausogut aus Luft bestehen. Seine Begeisterung wird bald zur Langeweile und schließlich zum Ekel.«
    Bink hatte es immer noch nicht gewagt, etwas zu sagen. Er war sich sicher: Ihm wäre es niemals langweilig geworden.
    Roland verstand ihn nur zu gut. »Mein Sohn, was du wirklich brauchst, ist ein richtiges, lebendes Mädchen«, schloß er. »Eine Figur mit einer Persönlichkeit, die mit dir reden kann. Es ist eine viel größere Herausforderung, eine Beziehung zu einer vollständigen Frau herzustellen, und oft ist es entsetzlich enttäuschend.« Er blickte bedeutungsvoll auf die Tür, durch die Bianca gegangen war. »Aber auf lange Sicht ist es auch viel lohnender. Was du bei dem Wildhafer gesucht hast, das war eine Abkürzung – aber im Leben gibt es keine Abkürzungen.« Er lächelte. »Obwohl, wenn es nach mir gegangen wäre, ich hätte dich die Abkürzung versuchen lassen. Ist nichts Schlimmes dabei, überhaupt nichts Schlimmes. Aber deine Mutter – na ja, wir sind hier sehr konservativ, und die Damen haben den Hang, besonders konservativ zu sein, besonders die schönen Damen. Es ist ein
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