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Cato 02 - Im Auftrag des Adlers

Titel: Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
Autoren: Simon Scarrow
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Cato spürte, wie eiskalter Schrecken ihn durchzuckte.
    »Lavinia?«
    Von allen Seiten umdrängte ihn eine Menschentraube, während Cato sich neben die Liegende kniete und ihr das Haar mit zitternder Hand aus dem Gesicht strich. Lavinias leblose Augen standen offen, mit großen, dunklen Pupillen, der Mund war leicht geöffnet und ließ ihre weißen Zähne sehen. Die Kehle war so tief durchschnitten, dass unter den durchtrennten Bändern und Arterien das Weiß von Knochen und Knorpeln aufschimmerte.
    »Nein … Nein!«
    »Cato!«, brüllte Macro ihm ins Ohr, als er sich schließlich zum Optio durchgedrängt hatte. »Komm … Ach, verdammt. «
    Einen kurzen Moment lang rührte sich keiner von beiden, dann aber wurde Macro lebendig und zerrte Cato energisch auf die Beine.
    »Sie ist tot. Tot, versteht du mich?«
    Cato nickte.
    »Wir müssen hier weg. Sofort!«
    Cato ließ sich von Macro durch die entsetzte Menge zerren, wobei der Zenturio in seinem verzweifelten Bestreben, aus dem Saal zu gelangen, bevor die Prätorianergarde das Chaos noch vergrößerte, im Weg Stehende rücksichtslos zur Seite trat und stieß.
    »Schnell!« Macro packte Cato am Arm und zog ihn zum nächstgelegenen Seiteneingang. »Hier hindurch!«
    Cato, der kaum noch etwas mitbekam, spürte, wie er aus dem Saal gestoßen wurde, und das letzte Bild, das sich in sein Bewusstsein einbrannte, war der Anblick des Kaisers, der Vitellius als seinen Retter in die Arme schloss.
    Lavinia war tot, und Vitellius wurde als Held gefeiert.
    Lavinia war tot, von Vitellius ermordet.
    Cato griff nach seinem Dolch. Seine Finger fanden den Griff und umschlossen ihn fest.
    »Hör auf!«, schalt Macro ihn, ein Grollen in seinem Ohr. »Nein, Cato! Das ist es nicht wert!«
    Macro zerrte ihn von der brüllenden und kreischenden Menschenmenge weg und stieß ihn durch eine kleine Seitentür.
    Draußen angelangt zog Macro Cato in einen dunklen Winkel, und schon stürmten die ersten Prätorianer in den Saal und trieben zunächst alle Sklaven zusammen. Schrille Schreie stiegen in die Luft.
    Cato legte den Kopf in den Nacken, gegen die raue Steinwand gelehnt. Weit über ihnen, von den Jämmerlichkeiten des menschlichen Lebens völlig ungerührt, zeigte sich der Himmel mit seinen gelassenen Sprengseln funkelnder Sterne. Aber sie wirkten so kalt, kälter sogar noch als die Verzweiflung, die sein Herz wie mit einem Schraubstock umklammerte und jeden Lebenswillen zerquetschte.
    »Komm weiter, Junge.«
    Cato öffnete die Augen und blinzelte die Tränen weg. Von oben, schwarz und riesig vor den Sternen, sah Macro auf ihn hinunter, die Hand nach ihm ausgestreckt. Einen Moment lang wollte Cato einfach dort bleiben, wollte, dass die Prätorianer ihn mit seinem Messer entdeckten und rasch von seinem Elend erlösten.
    »Sie ist tot, Cato. Und du lebst noch. So ist es nun mal! Komm jetzt!«
    Cato ließ zu, dass er ihn auf die Beine zerrte. Mit einem sanften Schubser stieß Macro ihn vom Festsaal weg, hin zur Sicherheit des Lagers der Zweiten Legion.

54

    Einige Tage später verließ der Kaiser die Insel und kehrte nach Rom zurück. Narcissus hatte Nachricht erhalten, dass einige Senatoren sich durch Claudius’ Abwesenheit ermutigt fühlten, seine Kaiserwürde hinter vorgehaltener Hand in Frage zu stellen. Wenn man dieses heimtückische Getuschel lange durchgehen ließ, mochte daraus irgendwann mehr werden, die Zeit für eine Rückkehr in die Hauptstadt war also reif. Ohne Verzug ließ man die Flotte flussaufwärts nach Camulodunum kommen, und das kaiserliche Gepäck wurde hastig an Bord gebracht und unter Deck verstaut. Eine lange Reihe von Kriegsschiffen war entlang des primitiven Kais vertäut, und schwitzende Sklaven eilten über die Landungsbrücken hin und her, von den kaiserlichen Aufsehern angetrieben, die wie üblich großzügig Stockhiebe austeilten.
    Doch nicht das ganze kaiserliche Gefolge verließ Britannien. Flavia und einige der anderen Offiziersfrauen hatten die Erlaubnis erhalten, ihre Rückkehr nach Rom bis zur Fortsetzung des Feldzugs im nächsten Frühjahr aufzuschieben, und Herbst und Winter bei ihren Männern zu verbringen. Flavia war wenig erfreut, dass ihr nun noch ein eiskalter Winter am nördlichen Rand des Imperiums bevorstand. Britannien war kein guter Ort für die Geburt des Kindes, das sie im Leib trug. Halb hatte sie gehofft, Vespasian würde ihr Angebot ablehnen und sie mit Titus nach Rom zurückschicken. Doch mit dem Hinweis, dass sie angesichts ihrer
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