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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe
Autoren: Benzoni Juliette
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Diener. Mein Gott, was für ungehobelte Manieren ihr in eurer wilden Auvergne habt!« sagte der Neuankömmling mit spöttischem Unterton. »Wäre es nicht besser, wenn Ihr versuchtet, uns aus diesem Nebel herauszuführen, der uns in Mark und Knochen dringt? Der Ort hier scheint mir schlecht geeignet für einen solchen Streit, und ich würde der Dame Cathérine lieber helfen, unsere Schwester zum nächsten Wegziel zu bringen … wenn es überhaupt eins gibt!«
    »Im Hospiz wird sie die Pflege erhalten, die sie braucht«, murmelte Gerbert, zu seinem Platz an der Spitze der Kolonne zurückkehrend.
    »Wenn ich die Dächer sehe, werde ich an dieses Hospiz glauben!« meinte Catherines Verteidiger, während er ihr half, die arme Gillette aufzurichten, deren Knie vor Erschöpfung einknickten. »Man müßte diese Frau tragen …«, fügte er hinzu, während er sich suchend umsah. Cathérine lächelte ihm zustimmend zu. Sie hatte ihn vorher noch nicht bemerkt und wunderte sich über sein für einen Pilger ungewohntes Aussehen. Er war ein junger Mann, schlank und von mittlerer Größe, mit braunem Haar, dessen Gesicht in nichts der Vorstellung glich, die man sich im allgemeinen von einem frommen Pilger machte. Nichts an diesem Gesicht, das alles in allem außerordentlich ausdrucksvoll wirkte, schien im Gleichgewicht zu sein. Dicke, fleischige Lippen, auf die eine lange und kräftige, in der Mitte eingeknickte Nase herabstieß, kleine blaue, unter den Brauen tief eingegrabene Augen, ein eckiges, eigensinniges Kinn, eine Unzahl frühzeitig entwickelte Falten. Die Züge waren grob, doch die Physiognomie wirkte beweglich, der lebhafte Blick verriet Intelligenz, die spöttischen Fältchen in seinen Mundwinkeln ließen auf einen unwiderstehlichen Hang zur Ironie schließen.
    Als er sich der stummen Musterung durch Cathérine bewußt wurde, lächelte er auf eine seltsame Weise, die seine Lippen zurückzog und den Mund bis zu den Ohren spaltete; er nahm den großen Pilgerhut ab, dessen Krempe er auf burschikose Art hochgeschlagen trug, und fegte damit über den Boden.
    »Josse Rallard, schöne Dame, zu Diensten! Ich bin Pariser, Kavalier und Abenteurer, und wenn ich nach Galicia gehe, so ebenso, um ein Gelübde zu erfüllen wie um die Vergebung meiner zahlreichen Sünden zu erlangen! Holla! Ihr da, wer hilft mir, diese Frau zum Hospiz zu tragen?«
    Unter den Umstehenden meldete sich keiner. Offensichtlich hatten die Pilger genug an ihrer eigenen Mühsal. Alle waren müde und vor Kälte erstarrt. Einige zitterten im schneidenden Wind der Hochebene. Keiner hatte den Mut, auch noch diese zusätzliche Last zu tragen. Cathérine kamen sie wie eine Herde verängstigter Schafe vor, und sie konnte sich eines Gefühls der Verachtung nicht erwehren. War das die gegenseitige Hilfsbereitschaft, die unter den Pilgern herrschen sollte? Schon setzte sich, von Gerbert Bohat angetrieben, der Pilgertrupp wieder in Marsch, als Josse, die Reihen der ihn Umgebenden auseinanderschiebend, einem Mann mittlerer Größe auf die Schulter klopfte, der unter seinem Hut den Rücken rund machte.
    »Allons, Kamerad! Kommt, legt mit Hand an! Hat man je solche frommen Leute gesehen wie euch, meine Brüder! Was, kein Freiwilliger? Ihr, Kamerad, werdet Euch doch nicht weigern.«
    »Ich bin nicht Euer Kamerad!« brummte der andere, wagte aber nicht, sich zu sträuben. Von Josse ins Schlepptau genommen, trat er zu Cathérine, die immer noch Gillette stützte, aber es war deutlich zu sehen, daß er nicht gerade begeistert war. Josse indessen lachte schallend über sein langes Gesicht.
    »Na also! Sind wir nicht alle beide Pariser? Der Hochmut ist eine fürchterliche Sünde, besonders bei einem Pilger, Bruder! Dame Cathérine, darf ich Euch Messire Colin des Epinettes vorstellen? Er ist ein hervorragender Jurist und ein Mann von großem Wissen, den hier wiederzutreffen ich sehr glücklich war. Nun, Bruder, packt Madame von dieser Seite, ich werde sie von der anderen packen. Es ist nicht schicklich, daß Dame Cathérine sich anstrengt, wenn wir da sind!«
    Beim Anblick der wütenden Miene des ›hervorragenden Juristen‹ bekam Cathérine plötzlich Lust zu lachen, so daß sie ihre Müdigkeit einen Augenblick vergaß. Sie hätte schwören können, ihn brummen zu hören:
    »Hol dich der Teufel! Dich und dein Schandmaul!«
    Doch Colin hatte sich kaum den einen Arm Gillettes um den Hals gelegt, als Josse dasselbe mit dem anderen tat. So gestützt, berührte die arme Frau
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