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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Und, in
seiner Stammecke, der furchterregende Rocker, Polizei-Superintendent und
ehemaliger Palästina-, Kenia-, Malaya- und Fidji-Kämpfer, ein erbarmungsloses
Schlachtroß mit einem Bier, einer Garnitur leicht geröteter Fingerknöchel und
einer Wochenendausgabe der South China Morning Post. Der
Rocker, so sagten die Leute, komme aus Standesgründen. Und an dem großen
Mitteltisch, der an Wochentagen das Reservat von United
Press International war, lungerte der Shanghai Junior
Baptist Conservative Bowling Club unter dem Vorsitz des gescheckten alten
Australiers Craw und gab sich dem üblichen Sonnabendturnier hin. Bei diesem
Kampf ging es darum, eine zusammengedrehte Serviette quer durch den Raum segeln
und im Weinregal landen zu lassen. Bei jedem Treffer stifteten die Mitspieler
dem Torschützen die betreffende Flasche und halfen sie ihm leeren. Old Craw
knurrte die Schießbefehle, und ein ältlicher Kellner aus Schanghai, der bei
Craw einen Stein im Brett hatte, bestückte müde den Schießstand und servierte
die Preise. An diesem Tag fehlte dem Spiel die Würze; ein paar Mitglieder
beteiligten sich überhaupt nicht. Dennoch wählte Luke gerade diesen Kreis als
sein Publikum.
    »Die Frau
von Big Moo hatn Schluckauf!« quengelte der Zwerg weiter. »Das Pferd von der
Frau von Big Moo hatn Schluckauf! Der Stallknecht vom Pferd
von der Frau von Big Moo hatn Schluckauf! Das . . . «
    Luke
marschierte zum Tisch, sprang mit einem Satz darauf, daß er krachte; ein paar Gläser
zerbrachen, und Lukes Kopf rammte die Decke. Die leicht gebückte Gestalt hob
sich überlebensgroß vor dem Südfenster ab: der suppige Nebel, dahinter der
dunkle Schatten des Peak und dieser schwarze Riese, der den ganzen Vordergrund
ausfüllte. Aber die Männer warfen und tranken weiter, als hätten sie ihn nicht
gesehen. Nur der Rocker blickte ein einzigesmal in Lukes Richtung, ehe er
seinen riesigen Daumen ableckte und zur Witzseite umblätterte.
    »Dritte
Runde!« kommandierte Craw mit seinem kräftigen australischen Akzent. »Bruder
Kanada, Feuer frei. Warte, du Knallkopf. Feuer!«
    Eine
zusammengedrehte Serviette segelte im hohen Bogen zum Regal. Fand eine Lücke,
verhakte sich eine Sekunde lang, glitt ab, flatterte zu Boden. Luke, vom Zwerg
angestachelt, begann auf den Tisch zu stampfen und warf noch ein paar Gläser
um. Schließlich gab sein Publikum den Widerstand auf. »Ehrwürdens«, sagte Old
Craw seufzend, »darf ich um Aufmerksamkeit bitten für meinen Sohn. Ich fürchte,
er hat uns etwas mitzuteilen. Bruder Luke, du hast heute mehrere Friedensbrüche
begangen, jeder weitere wird unserer ernsten Mißbilligung begegnen. Sprich klar
und knapp und lasse nichts aus, auch nicht die geringste Kleinigkeit, und dann
halt die Luft an.« In ihrer unermüdlichen gegenseitigen Mythenstrickerei hatten
sie Old Craw den »Ancient Mariner« getauft.
Craw habe sich, so erzählten sie einander, schon mehr Sand von den Hosen
geklopft, als die meisten von ihnen je unter die Sohlen kriegen würden; und das
stimmte. In Schanghai, wo seine Laufbahn begann, war er Tee-Boy und
Lokalredakteur der einzigen englischsprachigen Zeitung der Hafenstadt gewesen.
Seither berichtete er über den Kampf der Kommunisten gegen Tschiang Kaischek,
den Kampf Tschiangs gegen die Japaner und die Kämpfe der Amerikaner gegen
nahezu alle anderen. Craw vermittelte ihnen eine Art Geschichtsbewußtsein in
dieser wurzellosen Stadt. Seine Redeweise, die an Taifuntagen sogar den
Abgehärtetsten verzeihlicherweise auf die Nerven fallen konnte, war ein echtes
Relikt aus den dreißiger Jahren, als Australien den Großteil der Journalisten
im Fernen Osten stellte und der Vatikan aus unerfindlichen Gründen den Jargon
ihrer Gemeinde.
    So gelang
es Luke dank Old Craw schließlich, seine Neuigkeit an den Mann zu bringen.
    »Gentlemen!
- Zwerg, verdammter Polack, laß meinen Fuß los! - Gentlemen!« Er hielt inne und
betupfte sich die Lippen mit dem Taschentuch. »Das Haus, bekannt unter dem
Namen High Haven, steht zum Verkauf, und Ehrwürden Tufty Thesinger haben sich
aus dem Staub gemacht.«
    Nichts tat
sich, aber er hatte auch nichts Besonderes erwartet. Journalisten geben ihrem
Erstaunen nicht lauthals Ausdruck, nicht einmal ihrem Unglauben.
    »High Haven«,
wiederholte Luke schallend, »ist zu haben. Mr, Jake Chiu, der bekannte und
beliebte Immobilienmakler, Ihnen besonders in seiner Eigenschaft als mein
aufgebrachter Hauswirt ein Begriff, wurde von der Regierung Ihrer
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